Weihnachtsaktion 2025 Auricher Obdachloser über Schmerz, Scham und Hoffnung

| | 03.12.2025 07:05 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
Frank ist ein positiv gestimmter Mensch. Und das trotz seiner Lebenssituation. Foto: Klaus Ortgies
Frank ist ein positiv gestimmter Mensch. Und das trotz seiner Lebenssituation. Foto: Klaus Ortgies
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Frank lebt in Aurich – ohne festes Dach über dem Kopf. Und das, obwohl er eigentlich immer berufstätig war. Wie es dazu gekommen ist und wie er es schafft, optimistisch zu bleiben.

Aurich - Eigentlich hat Frank immer ein normales Leben geführt. Er hatte einen Job und eine eigene Wohnung. Doch heute lebt der 58-Jährige in Aurich – ohne festes Dach über dem Kopf. Frank verbringt viel Zeit im Tagesaufenthalt für Wohnungslose. Die Einrichtung ist eine der Begünstigten der diesjährigen Weihnachtsspendenaktion des Hilfswerks „Ein Herz für Ostfriesland“.

Schmerzen warfen Frank aus der Bahn

Für Frank begann die schwierigste Zeit in seinem Leben, als er in Brandenburg lebte. Er war als Lkw-Fahrer tätig und kam damit gut zurecht, sagt er. Doch durch das viele Sitzen in seinem Arbeitsalltag entwickelte er starke Schmerzen in der Hüfte. Schnell war klar: Frank muss operiert werden. Doch der Termin für die Operation ließ lange auf sich warten. Noch heute erinnert sich Frank an den Tag, an dem er eigentlich hätte operiert werden sollen. „Ich lag im Krankenbett und habe mich schon gefreut, dass endlich die Schmerzen aufhören“, sagt er. „Doch als der Chirurg meine schlechten Zähne gesehen hat, hat er mich wieder nach Hause geschickt.“ Das Infektionsrisiko sei zu hoch. Für Frank war diese Ablehnung nur schwer zu verstehen, denn er hatte die Ärzte schon im Voraus mehrmals auf seine Zähne hingewiesen, sagt er.

Danach begann für ihn ein langes Hin und Her mit seiner Krankenkasse. Die Schmerzen blieben. „Ich habe irgendwann zu meinem Orthopäden gesagt: ‚Wenn jetzt nicht bald was passiert, nehme ich mir einen Strick.‘“, erinnert sich Frank. Er nahm täglich Tilidin und konnte sich kaum bewegen. Er steckte zweieinhalb Jahre fast nur in seiner Wohnung fest, sagt Frank. An Arbeit war an diesem Punkt schon gar nicht mehr zu denken.

An Weihnachten 2023 fand die langersehnte Operation statt. „Das war das schönste Weihnachtsgeschenk, das man mir hätte machen können“, sagt Frank. Doch durch die lange Phase der Arbeitsunfähigkeit und die psychische Belastung hatte er die Kontrolle über seine Finanzen verloren. „Ich hatte schon alles verkauft, was noch was wert war. Aber irgendwann ist einfach kein Geld mehr da.“ Letztlich kam die Räumungsklage wegen nicht gezahlter Miete. Frank hatte zwar endlich keine Schmerzen mehr. Doch trotzdem stand er vor dem Nichts.

Suche nach Hilfe brachte Frank nach Aurich

Durch Bekannte, die in Aurich wohnten, kam der gebürtige Schwarzwälder dann schließlich nach Ostfriesland. Doch auch bei ihnen konnte er nicht ewig bleiben. Nach einer Nacht, die Frank auf dem Georgswall verbringen musste, fand er schließlich den Weg zum Tagesaufenthalt, wo er heute noch gern Zeit verbringt.

Malte Mand ist Leiter des Tagesaufenthalts für Wohnungslose in Aurich und einer der Sozialarbeiter, die Menschen wie Frank unterstützen. Foto: Klaus Ortgies
Malte Mand ist Leiter des Tagesaufenthalts für Wohnungslose in Aurich und einer der Sozialarbeiter, die Menschen wie Frank unterstützen. Foto: Klaus Ortgies

Frank hat zwei jüngere Brüder. Doch er hat sie nie um Hilfe gebeten. „Innerhalb der Familie hat das viel mit Scham zu tun“, sagt Frank. „Ich habe meine Fehler alleine gemacht. Ich möchte sie auch alleine wieder geradebiegen.“ Gerade als Ältester der drei Brüder wollte Frank nicht auf die Hilfe seiner Familie angewiesen sein. „Bei uns im Schwarzwald heißt es immer: ‚Schaffe, Schaffe, Häusle baue.‘ Und ich habe eben kein Haus gebaut. Ich habe auch keine Kinder. Und dann mit 58 wieder die Hilfe der Familie zu brauchen, ist kein schönes Gefühl.“ Er habe sich wohler damit gefühlt, Hilfe von Menschen anzunehmen, die nicht zu seiner Familie gehören. Wie zum Beispiel von seinen Bekannten aus Aurich oder den Sozialarbeitern vom Tagesaufenthalt. „Diese Menschen standen mir in der schwersten Zeit meines Lebens näher. Wir hatten täglichen Kontakt. Mit meinen Brüdern spreche ich vielleicht einmal alle zwei Monate.“

Woher Frank seine Hoffnung nimmt

Als Obdachloser in Aurich pendelt Frank mit seinen Freunden zwischen zwei Einrichtungen: dem Tagesaufenthalt am Georgswall und dem Übernachtungsheim der ambulanten Wohnungslosenhilfe in der Zingelstraße. Doch zwischen den Öffnungszeiten der beiden Einrichtungen liegen einige Stunden, die es jeden Tag zu überbrücken gilt. Gerade in dieser Zeit werden Frank und seine Freunde oft mit Vorurteilen konfrontiert. „Wenn wir uns am ZOB aufhalten und die Schüler mit dem Bus kommen, sieht man in ihren Augen, dass sie Angst vor uns haben“, sagt er. „Wir machen aber nichts. Wir sitzen nur da und unterhalten uns. Ich würde niemals auf die Idee kommen, Schüler anzupöbeln.“ Auch die Diskussionen über den ZOB in den sozialen Medien und der Politik spiegelt dieses Bild wider. „Ich habe schon viele Kommentare gelesen, in denen der ZOB wegen Menschen wie uns negativ dargestellt wird“, so Frank. „Aber irgendwo müssen wir ja auch hin.“

Eine Sache, die Frank in seinem Leben als Obdachloser gelernt hat: Es kann jeden treffen. In Dortmund habe er Bekanntschaft mit einem Obdachlosen gemacht, der einmal Richter am Amtsgericht war. Durch eine Scheidung und Alkohol habe er dann alles verloren. „Mein Rat an junge Menschen ist: Kümmert euch um euren Mist“, sagt Frank. „Man kann auch Party machen, aber am Montag ist eben wieder Stichtag. Dann muss man das Geld verdienen, damit man Freitag wieder feiern gehen kann.“

Auch wenn das Leben für Frank gerade nicht einfach ist, hat er beim Betreten jedes Raums ein Lächeln im Gesicht. Er lacht viel und macht Witze. Manch einer mag das ungewöhnlich finden. Doch sein Optimismus hat ihm oft geholfen, sagt Frank. „Ich kann die Vergangenheit nicht mehr ändern. Ich kann nur die Zukunft besser machen“, sagt er. „Da, wo Schatten ist, ist auch Licht. Jetzt bin ich gerade im Schatten, aber irgendwann finde ich das Licht wieder.“

ON-Weihnachtsaktion 2025

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