Arbeiten hinter schwedischen Gardinen: Im Knast gibt es keinen Mindestlohn

Uwe Prins
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Von Uwe Prins
| 16.09.2025 07:45 Uhr | Lesedauer: ca. 3 Minuten
Die Justizvollzugsanstalt Meppen ist eine von 16 Gefängnissen in Niedersachsen: Überall gilt: Mindestlohn bekommen Häftlinge für ihre Arbeit im Knast nicht. Foto: dpa
Die Justizvollzugsanstalt Meppen ist eine von 16 Gefängnissen in Niedersachsen: Überall gilt: Mindestlohn bekommen Häftlinge für ihre Arbeit im Knast nicht. Foto: dpa
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Häftlinge verdienen zwischen 1,29 und 2,55 Euro pro Stunde. Rentenpunkte für die Altersversorgung sammeln sie mit ihrer Beschäftigung nicht.

Ostfriesland - Inhaftierte im deutschen Maßregelvollzug sind während ihrer Haft „zu einer angemessenen Tätigkeit angehalten“, heißt es im Strafvollzugsgesetz. Für Strafgefangene gilt sogar eine Arbeitspflicht. Nach Angaben des Justizministeriums in Hannover gehen in den 16 niedersächsischen Gefängnissen und ihren angeschlossenen Abteilungen „etwa zwei Drittel“ der Insassen tatsächlich einer Arbeit nach. Reichtümer horten Häftlinge jedoch mit einer Beschäftigung nicht denn: Im Knast gibt es keinen Mindestlohn.

1,29 bis 2,55 Euro werden hinter Gittern pro Stunde bezahlt – je nach Art der Beschäftigung. Jobs in der Küche und in der Wäscherei gehören zu den Klassikern, Daneben gibt es aber auch Arbeitsplätze in eigenen oder externen Produktionsbetrieben und arbeitstherapeutischen Werkstätten sowie verschiedene Angebote für schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen.

Niedersachsens größtes Gefängnis ist die Justizvollzugsanstalt Lingen mit insgesamt 773 Haftplätzen. Hier ist das Angebot an Arbeitsplätzen besonders groß. Foto: Felix Reis
Niedersachsens größtes Gefängnis ist die Justizvollzugsanstalt Lingen mit insgesamt 773 Haftplätzen. Hier ist das Angebot an Arbeitsplätzen besonders groß. Foto: Felix Reis
Niedersachsens größtes Gefängnis ist die Justizvollzugsanstalt Lingen mit insgesamt 773 Haftplätzen. Hier ist das Angebot an Arbeitsplätzen sehr groß: Es gibt eigene Betriebe (unter anderem Schlosserei, Tischlerei, Recycling/Verpackung sowie Baumschule), die eng mit Industrie und Handwerk zusammenarbeiten.

Regionale Unternehmen aus der Papier-, Kunststoff-, und Verpackungsbranche nutzen die JVA als „verlängerte Werkbank“. Lohnkosten auf Heimarbeiterniveau, ein geringes Personalrisiko sowie Qualitäts- und Logistikvorteile machen eine Produktion hinter Gittern interessant und profitabel.

Der Mindestlohn von aktuell 12,82 Euro wird auch im Emsland nicht gezahlt. Resozialisierung statt Wohlstand ist das Motto: Ziel all dieser Beschäftigungsmodelle sei es, „die Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten oder zu fördern und so die Gefangenen bestmöglich auf ein straffreies Leben vorzubereiten“, heißt es im Justizministerium.

Blick auf einen Flur in Groß Hesepe. In der Außenstelle der JVA Lingen werden männliche Gefangene ab 25 Jahre im geschlossenen Vollzug untergebracht. Foto: JVA Lingen
Blick auf einen Flur in Groß Hesepe. In der Außenstelle der JVA Lingen werden männliche Gefangene ab 25 Jahre im geschlossenen Vollzug untergebracht. Foto: JVA Lingen
Mit Blick auf die Altersversorgung rechnet sich der Einsatz für die Knackis nicht: „Da es sich nicht um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis handelt, erarbeiten sich Häftlinge in dieser Zeit keine Rentenanwartschaften“, so der Hinweis der Rentenversicherung Bund (DRV).

Sie bezahlen nicht für den Zellenaufenthalt, haben Kost und Logis frei, kaum laufende Kosten – pro Tag kostet ein Gefängnisinsasse den Steuerzahler rund 200 Euro. Das mag an Stammtischen ein Argument für die schlechte Entlohnung und die fehlenden Rentenpunkte sein. Das Bundesverfassungsgericht allerdings hat bereits im Sommer 2023 entschieden, dass die Löhne von Strafgefangenen zu niedrig sind.

Die Richter in Karlsruhe waren nach Verfassungsbeschwerden von zwei Häftlingen aus Bayern und Nordrhein-Westfalen tätig geworden. Die Bundesländer wurden von den Verfassungsrichtern aufgefordert, bis Mitte dieses Jahres neue Regelungen zu schaffen. Aktuell ist das in Bayern und Nordrhein-Westfalen passiert: Dort bekommen arbeitende Häftlinge seit dem vergangenen Monat einen Tagessatz von rund 27 Euro – durchschnittlich gut zehn Euro mehr als bisher.

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