Meinung Streit ist kein Zeichen von Schwäche

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Ein Kommentar von Stephan Schmidt
| 08.02.2025 10:03 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 2 Minuten
Blick in den leeren Plenarsaal des Deutschen Bundestags. Bei der vorgezogenen Bundestagswahl am Sonntag, 23. Februar, entscheidet sich, wer hier in der nächsten Legislaturperiode sitzen wird. Foto: DPA
Blick in den leeren Plenarsaal des Deutschen Bundestags. Bei der vorgezogenen Bundestagswahl am Sonntag, 23. Februar, entscheidet sich, wer hier in der nächsten Legislaturperiode sitzen wird. Foto: DPA
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Pfeift die Demokratie in Deutschland auf dem letzten Loch? Das Gegenteil ist der Fall. Die Gesellschaft wird politischer. Dabei ist Streit kein Zeichen von Schwäche. Ein Kommentar.

Man könnte meinen, die deutsche Demokratie pfeife auf dem letzten Loch. Kurz vor der Bundestagswahl herrscht bei vielen Untergangsstimmung. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Demokratie zeigt sich lebendiger denn je. Im Bundestag wird gestritten, Menschen gehen für ihre Überzeugungen auf die Straße. In Familien, unter Freunden oder Arbeitskollegen ist Politik ein Thema. Das Interesse an Diskussionsveranstaltungen, in dieser Woche etwa die Podiumsdiskussion der ON im Güterschuppen in Aurich, ist so groß wie nie. Es ist eben nicht jene „Politikverdrossenheit“, die vor einigen Jahren noch in Deutschland diagnostiziert wurde. Die Gesellschaft politisiert sich. Und das ist ein gutes Zeichen. Demokratie lebt von Diskussionen, nicht von Sprachlosigkeit und Resignation.

Verrohung der Sprache

Es wäre jedoch wünschenswert, wenn diese Diskussionen gesittet ablaufen würden. Aber die Schmähungen sind allgegenwärtig. „Faschist“, „Kommunist“, „links-grün versifft“, „Nazi“ – kein Begriff ist zu extrem, wenn es darum geht, Menschen mit einer anderen Meinung zu diskreditieren. Es ist eine Form der Verrohung der Sprache. Sie schafft ein Umfeld, in dem Kompromisse, die zur Demokratie zwingend gehören, fast unmöglich erscheinen.

Man muss es den Menschen hoch anrechnen, die trotz der Schimpf-, Schmäh- und Hasstiraden in die Politik gehen. Die sich, wie in dieser Woche in Aurich, vors Publikum stellen und ihre politischen Ansichten, egal welcher Couleur, verteidigen. Es ist keine dankbare Aufgabe. Erst recht nicht in einer Zeit, in der jeder mit einem Handy oder Computer anonym in den Social Media-Kanälen pöbeln kann.

Deutsche stehen hinter der Demokratie

Man könnte den Eindruck haben, von Demokratiefeinden umzingelt zu sein. Doch diese sind oft nur die lautesten Schreier. Denn die Zahlen sprechen für sich: Der weitaus größte Teil der Deutschen steht hinter der Demokratie. 87 Prozent halten laut einer Umfrage von Infratest-Dimap aus dem August vergangenen Jahres diese für eine gute Regierungsform, nur 9 Prozent für eine nicht so gute.

Streit und Diskussionen sind keine Zeichen von Schwäche. Sie sind selbstverständlicher Bestandteil eines pluralistischen, demokratischen Systems. Es kommt dabei aber auf den Ton an. Mehr Sachlichkeit und weniger Etiketten sind gefragt.

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