Hetze im Internet Der Hass im Netz und die Schere im Kopf

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Ein Kommentar von Stephan Schmidt
| 17.06.2023 10:04 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 2 Minuten
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•Der gebürtige Südafrikaner Quinton Ceasar aus Wiesmoor hat beim Schlussgottesdienst auf dem Kirchentag in Nürnberg eine klare Botschaft überbracht. Dafür erntet er nun Hassreden. Foto: DEKT/Bongard.
•Der gebürtige Südafrikaner Quinton Ceasar aus Wiesmoor hat beim Schlussgottesdienst auf dem Kirchentag in Nürnberg eine klare Botschaft überbracht. Dafür erntet er nun Hassreden. Foto: DEKT/Bongard.
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Der Wiesmoorer Pastor Quinton Ceasar wird wegen seiner Predigt auf dem Kirchentag im Netz bösartig angefeindet. Doch jeder kann Ziel des Hasses werden. Das schadet der Gesellschaft. Ein Kommentar.

Gott ist queer: Diese These stellte der Wiesmoorer Pastor Quinton Ceasar beim Abschlussgottesdienst des Evangelischen Kirchentages auf. Er forderte Solidarität mit Homosexuellen, Geflüchteten und Klimaaktivisten. Er verlangte etwas, das für eine Kirche selbstverständlich sein sollte: Toleranz und Mitgefühl. Dass dazu heute Mut gehört, ist eigentlich schon erschreckend. Der ostfriesische Seelsorger erwartete harsche Kritik. Was er jedoch erntete, war eine wahre „Welle voll Hass“ im Internet, wie er es selbst beschrieb. Die Beleidigungen waren bösartig. Auch die Hautfarbe des gebürtigen Südafrikaners spielte dabei oft eine Rolle.

Staat und US-Konzerne in der Pflicht

Das Präsidium des Kirchentages um Thomas de Maizière stellte sich vor den Pastor. Selbstverständlich. Aber eigentlich müssten dies andere tun: Ein Staat, der gegen Schmähungen im Netz hart und entschlossen durchgreift. Und US-amerikanische Konzerne wie Meta (Facebook und Instagram), die zwar gerne die Werbe-Milliarden aus Deutschland einstreichen, die sich aber weitgehend weigern, die Regeln des zivilisierten Miteinanders auf ihren Plattformen durchzusetzen. Rassismus, Sexismus, Homophobie und andere Hetze feiern im Internet weiter fröhliche Urstände.

Konträre Meinungen werden niedergemacht

Insbesondere Politiker, Aktivisten und Prominente, aber eben auch Pastoren werden regelmäßig zu Opfern des Hasses. Sie sind besonders anfällig dafür. Denn sie wagen sich in eine immer giftigere Umgebung vor. Aber potenziell kann jeder im Internet zum Opfer werden. Diskussionen arten in Schlammschlachten aus. Konträre Meinungen werden gnadenlos niedergemacht. Nur die Mutigsten oder Abgebrühtesten halten da stand. Andere reagieren verständlich: Sie schweigen aus Angst, in einen „Shitstorm“ zu geraten. So entsteht eine Schere im Kopf, eine Verengung des Diskussionsraumes. Es ist ein Schaden für unsere demokratische, freiheitliche Gesellschaft.

Es helfen nur Strafanzeigen

Im Internet kann jeder in Deutschland so ziemlich alles sagen. Aber anonym ist niemand. Polizei und Staatsanwaltschaft können die Urheber von Hasskommentaren ausfindig machen. Was hilft, und das erkennen vor allem immer mehr Politiker, sind Strafanzeigen. Hetze im Netz ist kein Kavaliersdelikt. Das müssen alle lernen – zur Not auf die harte Tour.

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