Nach Protesten SPD-Abgeordnete machen Krabbenfischern Mut

| | 26.03.2023 11:43 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
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Ein Greetsieler Kutter in Aktion. Foto: DPA
Ein Greetsieler Kutter in Aktion. Foto: DPA
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Das letzte Wort über die Details des EU-Aktionsplans zum Schutz der Meeresökologie sei noch lange nicht gesprochen. Es gab ein Gespräch von EU-Vertretern mit den Fischern. Die bleiben aber skeptisch.

Aurich/Ostfriesland - Seit Tagen herrscht große Aufregung um den EU-Aktionsplan zum Schutz und zur Wiederherstellung von Meeresökosystemen, der im jetzigen Stadium den Fischern an der Nordseeküste die Existenzgrundlage entziehen würde. Nach heftigen Protesten, auch aus Ostfriesland, bei der Agrarministerkonferenz in Büsum hat nun nach Angaben des Europaabgeordneten Tiemo Wölken (SPD) ein Gespräch stattgefunden. Wölken ist EU-Abgeordneter für den Bezirk Weser-Ems.

Laut einer Mitteilung trafen sich bei dem Gespräch am Freitag auf seine Vermittlung hin Carmen Preising, Kabinettschefin des zuständigen Kommissars Virginijus Sinkevičius, Maja Kirchner, Referatsleiterin in der zuständigen Generaldirektion Maritime Angelegenheiten, sowie Claudia Müller, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, mit rund 45 Fischern, Verbänden und Abgeordneten.

Wölken: Verbot der Krabbenfischerei nicht Ziel des Aktionsplans

„Gerade wenn so viele politische Ebenen beteiligt sind, ist es wichtig, dass wir miteinander sprechen, statt übereinander“, so Wölken.

Rund 60 Kutter waren zum Protest nach Büsum gefahren – auch aus Ostfriesland. Foto: DPA
Rund 60 Kutter waren zum Protest nach Büsum gefahren – auch aus Ostfriesland. Foto: DPA

Zum Abschluss der Veranstaltung stehe die Feststellung, dass mit dem Aktionsplan noch lange kein bindendes Gesetz verabschiedet wurde – und dass im weiteren nationalen und europäischen Prozess dringend nachgearbeitet werden könne und müsse, was bisher an Differenzierung von regionalen Besonderheiten versäumt wurde. „Auch eine nationale Ausnahmeregelung für Fischereimethoden, die den Meeresboden schonen, bleibt möglich – die Kommission stellte klar, dass ein Verbot der Krabbenfischerei nicht Ziel des Aktionsplans ist“, heißt es in der Mitteilung.

Es sei sehr ärgerlich, dass durch die Veröffentlichung des Aktionsplans, ohne ergänzende Kommunikation, der Eindruck entstanden ist, dass in kürzester Zeit die Krabbenfischerei verboten wird, so Wölken: „Es ist gut, dass die EU-Kommission klargestellt hat, dass das nicht das Ziel ist und so auch nicht gefordert wird. Jetzt gilt es den vorhandenen Gestaltungsspielraum zu nutzen, um für unsere Region eine gute Regelung zu finden, die unsere Kulturlandschaft und die Krabbenfischerei ebenso schützt wie die Ökosysteme.“

Siebels betont Bedeutung der Fischerei in Niedersachsen

Auch der Auricher Landtagsabgeordnete Wiard Siebels (SPD) erklärte seine Solidarität mit den Fischern. Die Krabben- und Muschelfischerei gehöre zu Niedersachsen. Die rund 100 traditionellen Betriebe befänden sich seit Generationen in Familienbesitz und seien eng mit der Region verbunden. Sie sicherten durch ihre direkte Wertschöpfung Arbeitsplätze in der Fischerei und nachgelagerten Betrieben. Ihre Arbeit fördere zudem die niedersächsische Identität und sei ein Grund für Touristen, an die Nordsee zu reisen.

Der Hafen in Greetsiel ist geprägt von Kuttern. Foto: DPA
Der Hafen in Greetsiel ist geprägt von Kuttern. Foto: DPA

„Wir wollen dieses Kulturgut erhalten und stehen an der Seite der Fischerinnen und Fischer. Den aktuellen Aktionsplan der EU-Kommission sehen wir kritisch, da er in seiner derzeitigen Form die Existenzgrundlage der niedersächsischen Fischerei infrage stellt“, so Siebels. „Diese Position unterstreichen wir mit der heute verabschiedeten Resolution zum Erhalt der nachhaltigen Krabbenfischerei an der niedersächsischen Nordseeküste.“

Auch Bundesumweltminister nimmt Krabbenfischer aus

Die SPD wolle eine Lösung, die eine nachhaltige Nutzung der Küstenregionen im Einklang von ökologischen und wirtschaftlichen Interessen ermöglicht. Das könne nur im offenen Dialog gelingen“, so Siebels.

Nach dem von Tiemo Wölken initiierten Gespräch sei er zuversichtlich, „dass am Ende dieses Prozesses eine Regelung stehen wird, die die traditionelle Fischerei erhält und den Anforderungen an den modernen Küstenschutz entspricht. Beides ist ausdrücklich kein Widerspruch.“ Der jetzige Vorschlag der EU-Kommission dürfe so nicht Realität werden.

Auch Bundesumweltminister Cem Özdemir (Grüne) hatte in Büsum in einem NDR-Interview gesagt, dass die Krabbenfischer bei der Überfischung der Nordsee nicht das Problem seien und es keine Pauschalverbote geben dürfe. Sie hätten sich längst auf den Weg gemacht, in wissenschaftlicher Begleitung die Fischerei so weiterzuentwickeln, dass sie keine dauerhafte Belastung darstelle.

Fischer: „Beruhigt sind wir aber noch lange nicht. Jetzt geht der Kampf erst los“

Dirk Sander aus Neßmersiel, Vorsitzender des Landesfischereiverband Weser-Ems war bei dem Gespräch dabei. Die Fischer seien sehr froh, dass die Politiker sich nun so für sie einsetzten, sagte er auf ON-Nachfrage. Aber eine große Skepsis bleibe.

Dirk Sander (von links), Vorsitzender des Landesfischereiverbandes Weser-Ems, und Fischer Nils Sander Fischer sprachen vor einigen Tagen schon mit der niedersächsischen Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte. Nun nahm Dirk Sander auch am Gespräch mit den EU-Vertretern teil. Foto: DPA
Dirk Sander (von links), Vorsitzender des Landesfischereiverbandes Weser-Ems, und Fischer Nils Sander Fischer sprachen vor einigen Tagen schon mit der niedersächsischen Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte. Nun nahm Dirk Sander auch am Gespräch mit den EU-Vertretern teil. Foto: DPA

Die Fischer seien immer noch geschockt von dem Aktionsplan, den die EU-Kommission vor einem Monat präsentiert habe. Es sei im Vorfeld keiner der Verbände eingebunden worden, beklagt Sander. Und dann sei für den Naturpark Wattenmeer sogar eine Frist von nur einem Jahr gesetzt worden. Selbst wenn das nicht umgesetzt werde, sei der Schaden durch die verantwortungslose Kommunikation der EU-Kommission schon angerichtet: „Das sitzt doch jetzt in den Köpfen. Wenn wir mit Banken sprechen oder Gerätschaften kaufen“, so Sander. Das Gegenüber werde immer denken: Es kann auch ganz schnell vorbei sein.

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Sander erkennt den Willen der Politiker, den Fischern zu helfen, an. „Beruhigt sind wir aber noch lange nicht. Jetzt geht der Kampf erst los.“ Auch wenn Selbst wenn das Verbot der Grundschleppnetzfischerei vielleicht abgewendet werde, fürchtet Sander deutliche Nachteile für die Fischer. Wenn es dann um die Aushandlung der Details gehe, werde es immer auch darum gehen, die Bereiche, wo gefischt werden darf, Stück für Stück weiter zu beschneiden. „Dagegen werden wir vorgehen“, kündigte der Fischer an. Die Fanggründe seien durch Windparks, Kabeltrassen und Verklappungen schon deutlich beschnitten. „Wir stehen mit dem Rücken an der Wand“, so Sander.