Nach Vulkanausbruch vor Tonga: Wie ist die Lage?

Carola Frentzen, dpa
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Von Carola Frentzen, dpa
| 23.01.2022 11:42 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Nach dem Vulkanausbruch. Foto: Consulate Of The Kingdom Of Tong/ZUMA Press Wire/dpa
Nach dem Vulkanausbruch. Foto: Consulate Of The Kingdom Of Tong/ZUMA Press Wire/dpa
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Zerstörerische Eruptionen von Untersee-Vulkanen wie dem vor Tonga sind selten. Der Ausbruch im Pazifik hat nicht nur die Menschen auf den Inseln unvorbereitet getroffen - auch Experten sind verblüfft.

Nuku'alofa (dpa) - Vor rund einer Woche hat der Untersee-Vulkan Hunga-Tonga-Hunga-Ha'apai mit einem ohrenbetäubenden Knall und einer 20 Kilometer hohen Aschewolke den Pazifik erschüttert.

Die Eruption löste laut der Regierung von Tonga einen bis zu 15 Meter hohen Tsunami aus, der im Südsee-Staat schwere Zerstörungen angerichtet und mindestens drei Menschen getötet hat. Die Kommunikation mit den Inseln brach in Folge des Vulkanausbruchs zusammen. Fragen und Antworten zur Situation in der Region.

Wie groß sind die Schäden?

Schätzungsweise 84 Prozent der rund 105.000 Bewohner auf allen Inseln seien von dem Ascheregen und dem Tsunami betroffen, hieß es zuletzt von der Regierung. 

Vor allem in Küstennähe sind die Zerstörungen gewaltig. Am Freitag wurden an Land gedrehte Videos veröffentlicht, die das Ausmaß der Katastrophe verdeutlichen. Der Tsunami hat zahlreiche Häuser dem Erdboden gleichgemacht, Bäume umgerissen und ganze Landstriche verwüstet. Auch die Westküste der Hauptinsel Tongatapu, wo es viele Hotels gibt, ist schwer betroffen, wie der neuseeländische Hochkommissar in dem Archipel, Peter Lund, zuletzt sagte.

Die normalerweise so farbenfrohen Südsee-Inseln sind von einer fahlen Ascheschicht bedeckt. Beobachter sprechen von einer „Mondlandschaft“. Am Samstag veröffentlichte Aufnahmen zeigten Bewohner inmitten von Trümmern und umgestürzten Bäumen auf dem Eiland Mango mit rund 36 Bewohnern, wo alle Häuser zerstört sind.

Ist die Kommunikation wieder möglich?

Nur teilweise. Die Kommunikation zwischen den Inseln bleibt nach Regierungsangaben „eine akute Herausforderung“. Immerhin konnten die internationalen Telefonleitungen zum Teil wiederhergestellt werden. Angehörige im Ausland, die tagelang keine Informationen von ihren Familien in Tonga hatten, konnten endlich ihre Lieben erreichen.

Ein wichtiges Unterseekabel, das zur Übertragung fast aller digitalen Informationen einschließlich der Internet- und Telefonkommunikation dient, ist aber an zwei Stellen gebrochen. Laut US-Kabelunternehmen SubCom wird es mindestens vier Wochen dauern, bis die Kabelverbindung repariert ist. Tongas Regierung zufolge soll in den kommenden Tagen ein Schiff auf Tonga eintreffen, um die Reparaturarbeiten aufzunehmen. Ein Hilfsflug aus Neuseeland brachte dringend benötigte Telekommunikationsausrüstung, um die Internetverbindung in begrenztem Maße wiederherzustellen.

Der internationale Mobilfunkanbieter Digicel hat auf der Hauptinsel Tongatapu ein Überbrückungssystem via Satellit eingerichtet. Die Verbindungen seien jedoch „begrenzt und lückenhaft“, hieß es.

Selbst Vulkanforscher nicht vorhersagen, ob der Hunga-Tonga-Hunga-Ha'apai jetzt Ruhe gibt. „Das einzige, was wir sicher sagen können, ist, dass der Vulkan jetzt ausgebrochen ist. Also ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass sich darunter noch viel mehr Magma befindet“, sagte der Geochemiker Oliver Nebel von der renommierten Monash University in Melbourne zuletzt. Jedoch sei das keine Garantie: In der Vergangenheit seien Vulkane auch schon mehrmals in Folge heftig ausgebrochen. Experten fragen sich auch, was von dem zuvor 1800 Meter hohen und 20 Kilometer breiten submarinen Feuerberg überhaupt noch übrig ist. Eine erst 2015 bei einem monatelangen Ausbruch des Vulkans entstandene Insel ist etwa gänzlich verschwunden, wie Satellitenaufnahmen belegen.

Wie häufig sind derart heftige Eruptionen von Untersee-Vulkanen?

Solch eine gigantische Eruption des Hunga-Tonga-Hunga-Ha'apai kommt Experten zufolge nur etwa alle 1000 Jahre vor. Weltweit war es zudem der wohl heftigste Vulkanausbruch seit der Eruption des Pinatubo auf den Philippinen vor 30 Jahren, die damals allerdings an Land geschah. Gerade am Pazifischen Feuerring liegen zahlreiche Untersee-Vulkane, die meisten aber in großer Tiefe. Wenn sie ausbrechen, wird das meist kaum registriert. Die Caldera (der Kessel) des Hunga-Tonga-Hunga-Ha'apai lag hingegen nur knapp unter der Wasseroberfläche.

Tsunamis werden meist durch Seebeben ausgelöst - nur selten durch unterseeische Vulkane. Laut der neuseeländischen Forscherin Emily Lane handelte sich um den ersten durch einen Vulkanausbruch ausgelösten pazifikweiten Tsunami seit der verheerenden Eruption des Krakatau in Indonesien im Jahr 1883 mit 36.000 Toten.

Was wird in Tonga besonders dringend benötigt?

Am dringendsten wird derzeit Trinkwasser benötigt, denn die Asche hat in Tonga das Regenwasser und die Bohrlöcher verschmutzt, aus denen die Menschen ihr Trinkwasser beziehen. Im Rahmen der Hilfsmaßnahmen sind nach Regierungsangaben bisher fast 60.000 Liter Wasser verteilt worden. Am Freitag traf das von Neuseelands Regierung entsandte Schiff „HMNZS Aotearoa“ ein, das 250 000 Liter transportieren und 70.000 Liter pro Tag durch eine Entsalzungsanlage produzieren kann.

Auch Lebensmittel, provisorische Unterkünfte, medizinische Ausrüstung und Hygieneartikel werden gebraucht. Erste Hilfslieferungen aus Neuseeland und Australien sind mittlerweile in Tonga angekommen. Obwohl es bislang keine weiteren vulkanischen Aktivitäten gegeben hat, bleibt der Seetransport weiterhin schwierig, da Asche auf der Meeresoberfläche die Schiffe beschädigt. Auch die EU und Großbritannien wollen Hilfen nach Tonga schicken.

© dpa-infocom, dpa:220123-99-817670/2

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