Washington (dpa)

Corona: Die USA zwischen Hoffen und Bangen

Julia Naue, dpa
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Von Julia Naue, dpa
| 29.09.2021 13:24 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Blick auf die Universitätsklinik in Jackson. „Ich denke, dass die Amerikaner im Allgemeinen, aber vielleicht die Menschen in Mississippi noch ein bisschen mehr, sich nicht gerne sagen lassen, was sie tun sollen“, sagt LouAnn Woodward, die Leiterin des University of Mississippi Medical Centers. Foto: Julia Naue/dpa
Blick auf die Universitätsklinik in Jackson. „Ich denke, dass die Amerikaner im Allgemeinen, aber vielleicht die Menschen in Mississippi noch ein bisschen mehr, sich nicht gerne sagen lassen, was sie tun sollen“, sagt LouAnn Woodward, die Leiterin des University of Mississippi Medical Centers. Foto: Julia Naue/dpa
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Ist das Schlimmste vorbei? Die Corona-Zahlen in den USA sinken. Doch viele blicken mit Sorge auf den Herbst. Im Süden des Landes zeigte die Delta-Variante im Sommer, was sie anrichten kann.

Am Ende hilft doch nur Beten. Das zumindest meint eine Taxifahrerin im US-Bundesstaat Mississippi, wenn sie an Corona denkt. Klar, es sei schon sinnvoll, sich an die Regeln zu halten. Aber sie gehe trotzdem auf Nummer sicher, sagt sie und lacht herzlich.

Als die Delta-Variante die USA im Sommer mit voller Härte erwischte, waren gerade die südlichen Staaten des Landes wie Mississippi heftig getroffen. Nun gehen die Corona-Fallzahlen zurück, besonders auch im Süden. Doch viele fürchten, dass es im Herbst andere Regionen des Landes hart treffen könnte. Denn weiterhin sind mehr als 70 Millionen Menschen im Land, die für eine Impfung infrage kommen, nicht geimpft.

Die USA waren optimistisch in den Sommer gestartet - eine Zeit lang mussten Geimpfte etwa im Supermarkt gar keine Maske mehr tragen. In der Hauptstadt Washington setzten trotzdem weiter viele auf die Maske - in anderen Teilen des Landes nicht unbedingt. Im Juni, bevor sich die Delta-Variante durchgesetzt hatte, lag die Zahl der täglichen Neuinfektionen zeitweise bei nur rund 10.000 pro Tag. Doch die Euphorie war schnell vorbei. Diese Zahl kletterte bald auf weit mehr als 100.000. Heute liegt sie bei 95.000 - Tendenz sinkend. Doch Fachleute sind sich sicher: Solange beim Impfen keine deutlichen Fortschritte gemacht werden, ist die Lage weiter ernst.

Bislang sind in den USA 53,4 Prozent der rund 330 Millionen Menschen vollständig geimpft. US-Präsident Joe Biden hatte zuletzt auf eine weitgehende Impfpflicht für Arbeitnehmer gesetzt. Doch die Zahl scheint nur im Schneckentempo zu steigen. Gerade im Süden sperren sich viele gegen die Impfung. „Ich denke, dass die Amerikaner im Allgemeinen, aber vielleicht die Menschen in Mississippi noch ein bisschen mehr, sich nicht gerne sagen lassen, was sie tun sollen“, sagt LouAnn Woodward. Sie ist Leiterin der Universitätsklinik in Jackson, der Hauptstadt von Mississippi. Vollständig geimpft ist in dem Bundesstaat nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung. Der Staat zählt zu den Schlusslichtern beim Impfen.

Wut auf jene, die sich nicht haben impfen lassen

Woodward hat schlimme Wochen hinter sich. Zeitweise mussten in der Klinik in Jackson zwei Feldkrankenhäuser für Covid-Patienten aufgebaut werden, weil die Kapazitäten einfach nicht mehr reichten. „Ich bin fast jeden Tag zu beiden Krankenhäusern gegangen und habe nach dem Rechten gesehen“, erzählt sie sichtlich erschüttert. Sie hätte sich vorher niemals vorstellen können, Menschen in Zelten zu versorgen. „Klar, das waren jetzt nicht so Zelte wie beim Camping.“ Aber trotzdem: Das alles habe sich ein bisschen wie von der Realität losgelöst angefühlt. Die Erfahrungen der letzten Monate hätten auch das Klinikpersonal traumatisiert. Und zu einem gewissen Grad habe es auch eine Wut gegeben - auf jene, die sich nicht haben impfen lassen.

Experten gehen davon aus, dass der Süden das Schlimmste überstanden haben könnte. Einen Anstieg der Infektionszahlen gebe es nun im Mittleren Westen und im Nordwesten der USA, sagte Scott Gottlieb, der ehemalige Leiter der Arzneibehörde FDA, dem Sender CNN. Diese Regionen seien nicht immun gegen eine eigene Delta-Welle, auch den Nordosten könnte es treffen. Besonders, weil dort nun auch langsam das Wetter schlechter werde, Menschen sich wieder eher drinnen aufhielten und die Schule gestartet sei. Doch Gottlieb hat auch gute Nachrichten: Er geht davon aus, dass um Thanksgiving herum, also um den US-Feiertag Ende November, die Delta-Welle vorbei sein könnte.

Aber wird es andere Regionen der USA vorher so heftig wie den Süden treffen? „Es liegt in unserer Macht und in unserem Einflussbereich, dies zu verhindern“, sagte der Immunologe Anthony Fauci, der zu den Beratern von US-Präsident Joe Biden zählt. Die besten Möglichkeiten seien Impfen und Masken tragen. An der Westküste und in den nördlichen Staaten der US-Ostküste ist die Impfquote jedenfalls deutlich höher als im Süden.

In Staaten wie Mississippi gibt man sich unterdessen vorsichtig optimistisch. Die Taxifahrerin in Jackson hat sich am Ende dann doch nicht ausschließlich auf Gott verlassen. Sie ist gut durch die Pandemie gekommen - aber ohne Maske ins Taxi einsteigen? Das würden einige versuchen, erzählt sie. Aber nicht mit ihr.

© dpa-infocom, dpa:210929-99-409002/3

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