Imola (dpa)

Dunkle Erinnerungen: Formel 1 zum Kurzbesuch in Imola

Christian Hollmann, dpa
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Von Christian Hollmann, dpa
| 29.10.2020 10:52 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
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Der Kurzbesuch in Imola wird für die Formel 1 auch zu einer Reise in die Vergangenheit. Der Senna-Schock ist am Ort des Geschehens noch immer spürbar. Bei ihrer Rückkehr wagt die Königsklasse ein Experiment.

Diesen Schatten werden Imola und die Formel 1 wohl nie mehr los.

Wenn die Rennserie am Wochenende nach 14 Jahren Pause auf das Autodromo Enzo e Dino Ferrari zurückkehrt, wird die quälende Erinnerung an das tiefschwarze Wochenende mit dem Tod von Ayrton Senna und Roland Ratzenberger wieder wach. Emotional dürfte der Kurzbesuch in der Emilia Romagna vor allem für WM-Spitzenreiter Lewis Hamilton werden, für den die Ikone Senna Kindheitsheld und Inspiration war. „Entweder Superman oder Ayrton - einer von beiden wollte ich sein“, sagte der Weltmeister unlängst.

Auf der Piazza Ayrton Senna da Silva werden die Piloten ins Fahrerlager rollen, im Park nahe der Rennstrecke ist eine Senna-Statue über die Jahre zur blumengeschmückten Pilgerstätte geworden. Der Schock des 1. Mai 1994, als der Brasilianer in der Vollgaskurve Tamburello im Williams-Rennwagen sein Leben ließ, ist in Imola noch immer spürbar. Das Strecken-Museum nährt den Mythos mit regelmäßigen Senna-Ausstellungen.

Erstmals seit 2006 stellt sich die Formel 1 wieder am Ort des Geschehens diesen Erinnerungen. Weil viele andere Gastgeber wegen der Corona-Pandemie ihre Rennen absagen mussten, bekommt Imola eine neue Chance. Angesichts der mahnenden Ereignisse von 1994 ist es durchaus erstaunlich, dass die Formel 1 ein Experiment mit einem verkürzten Rennwochenende wagt.

Die Fahrer müssen komplett auf die drei Trainingsstunden am Freitag verzichten und nach einer nur 90-minütigen Übungseinheit am Samstag direkt die Qualifikation fahren. Bis auf den Finnen Kimi Räikkönen ist keiner der Piloten je in einem Formel-1-Auto in Imola gestartet, seit dem letzten Grand Prix hier wurde die Strecke zudem umgebaut. Für Piloten und Ingenieure wird das Kurz-Gastspiel zu einer Fahrt ins Ungewisse - fast ohne Erfahrungswerte und mit kaum Zeit zur Abstimmung der sensiblen Boliden.

Red-Bull-Pilot Max Verstappen kritisierte das ungewöhnliche Format als „dumm“ und „falsch“. Auch andere Fahrer verwiesen auf die enorme Herausforderung, auf einer vollen Strecke in kurzer Zeit viele Daten sammeln zu müssen. „Wir gehen von einem arbeitsreichen Training aus, in dem die Teams so viel wie möglich fahren werden“, sagte Mercedes-Teamchef Toto Wolff, der mit seinem Rennstall schon beim 13. der 17 Saisonläufe am Sonntag (13.10 Uhr/RTL und Sky) zum siebten Mal in Serie Konstrukteursweltmeister werden kann.

Dennoch: Die Formel 1 hat viel aus der Vergangenheit gelernt, der Schrecken von Imola 1994 wirkte als Katalysator für viele Veränderungen. Ratzenbergers Tod nach einem Genickbruch ebnete den Weg für die Entwicklung der Kopf- und Nackenstütze („Hans“). Sennas Horror-Unfall mit mehr als 200 Stundenkilometern verlieh den Bemühungen um sicherere Autos und Rennstrecken Nachdruck. Crashtests wurden verschärft, die Technik eingebremst, zuletzt kam der lange umstrittene Cockpitschutz „Halo“ dazu. Auf den Pisten wurden Auslaufzonen erweitert, Fangzäune und Barrieren modernisiert.

Auch der einstige Risiko-Kurs Imola ist inzwischen mit Schikanen deutlich entschärft, entlockt den Piloten aber noch immer Respekt. „Es ist eine großartige Strecke. Ich weiß aber nicht, warum sie die letzte Schikane weggemacht haben“, sagte Sebastian Vettel vor seinem letzten Ferrari-Heimspiel in Italien. 2006 war der Hesse noch als Sauber-Ersatzmann dabei. Teamkollege Charles Leclerc, der in Nachwuchsserien bereits in Imola fuhr, schwärmte: „Eine Strecke, die ich liebe. Ein Kurs, den die meisten Fahrer lieben werden.“

© dpa-infocom, dpa:201029-99-127442/2

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