Berlin (dpa)

Kabinett beschließt schärfere Regeln für Fleischbranche

| 29.07.2020 05:40 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
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Nach der Häufung von Corona-Fällen in Fleischbetrieben will die Bundesregierung wie angekündigt die Regeln für die Branche verschärfen. Der entsprechende Gesetzentwurf von Arbeitsminister Heil wird im Kabinett auf den Weg gebracht.

Die Häufung von Corona-Fällen in Schlachtbetrieben hatte zu viel Kritik an den Arbeitsbedingungen in der Fleischbranche geführt.

Im Bundeskabinett sollen heute nun die geplanten schärferen Regeln für die Fleischwirtschaft, die Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) angekündigt hatte, beschlossen werden. Die Branche warnt vor höheren Kosten, von Gewerkschaftsseite kommt dagegen den Wunsch nach noch schärferen Regeln.

Dem Gesetzentwurf zufolge sollen Fleischbetriebe - ausgenommen sind kleine Handwerksbetriebe - ab dem 1. Januar 2021 in ihrem Kerngeschäft Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung keine Werksvertrags- oder Leiharbeiter mehr beschäftigen dürfen. Bei Verstößen drohen Bußgelder. Es wird außerdem eine Pflicht zur elektronischen Arbeitszeiterfassung eingeführt, die Höchstbußgelder bei Arbeitszeitverstößen sollen von 15.000 auf 30.000 Euro verdoppelt werden.

Die Behörden sollen zudem künftig öfter Arbeitsschutzkontrollen in Betrieben durchführen, und es werden Mindestanforderungen für Gemeinschaftsunterkünfte festgelegt. Die letzten beiden Maßnahmen beträfen nicht nur die Fleischbranche, hatte Heil gesagt.

Gerade die Arbeitsbedingungen in Schlachtbetrieben mit Subunternehmern und Sammelunterkünften mit vielen osteuropäischen Beschäftigten stehen seit langem in der Kritik. Der Minister hatte im Mai angekündigt, in der Branche „aufräumen“ zu wollen.

Bei einem Werkvertrag vergeben Unternehmen bestimmte Aufträge und Tätigkeiten an andere Firmen, die sich um die komplette Ausführung kümmern. Laut Gesetzentwurf werden in manchen Unternehmen der Fleischbranche bis zu 100 Prozent Werkvertragsarbeitnehmer im Kerngeschäft Schlachten, Zerlegen, Verarbeitung beschäftigt.

Eine Prüfung der NRW-Arbeitsschutzverwaltung hatte zudem nach Ministeriumsangaben im vergangenen Jahr rund 8800 Rechtsverstöße aufgedeckt. Arbeitnehmer arbeiteten teils 16 Stunden am Tag - und vielfach ohne Pause. Lohn wurde für Schutzausrüstung oder Miete einbehalten. Leidtragende waren vielfach osteuropäische Beschäftigte von Subunternehmern.

Die deutsche Fleischwirtschaft hält ein Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit allein in ihrer Branche für verfassungswidrig. Es sei nicht erklärbar, warum beim Portionieren und Verpacken von Käse künftig anderes Arbeitsrecht gelten solle als bei Wurst, heißt es in einer Stellungnahme zum Gesetzesvorhaben, über die die „Neue Osnabrücker Zeitung“ berichtet hatte. Bei einem Verbot würde demnach der Verbraucherpreis um 10 bis 20 Prozent je Kilo und Produkt steigen. Vom Arbeitsministerium heißt es dagegen: „Ein signifikanter Anstieg der Verbraucherpreise insgesamt dürfte auf Grund des Gesetzentwurfs nicht zu erwarten sein.“

Die IG Metall wünscht sich noch schärfere Regeln vor allem mit Blick auf die geplanten Arbeitsschutzkontrollen. „Dass die Bundesregierung jetzt den Aufsichtsbehörden vorschreiben will, mindestens fünf Prozent der Betriebe jährlich zu besichtigen, ist ein Anfang. Dass diese Quote erst ab 2026 erreicht werden muss, ist gerade im Lichte der Corona-Pandemie deutlich zu spät“, sagte Hans-Jürgen Urban, Vorstandsmitglied der Gewerkschaft der Deutschen Presse-Agentur. „Arbeitsschutz ohne Aufsicht ist wie ein Derby ohne Schiri“.

Die Gewerkschaft Nahrung Genuss Gasstätten (NGG) bezeichnet die geplante Neuregelung in den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch) als „einen historischen Gesetzentwurf“. Der stellvertretende NGG-Bundesvorsitzende Freddy Adjan sagte: „Wir erwarten, dass der Kabinettsbeschluss, der, um auch das letzte Schlupfloch zu schließen, in Feinheiten im Gesetzgebungsverfahren nachgeschliffen werden muss, ohne Abstriche vom Bundestag beschlossen und Gesetz wird.“

Nach dem Kabinettsbeschluss muss das Gesetz noch durch Bundestag und Bundesrat.

© dpa-infocom, dpa:200729-99-960816/2

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