Frankfurt/Main (dpa)

Commerzbank-Aufsichtsratssitzung abgesagt

| 30.06.2020 08:03 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
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Die Commerzbank muss ihre Kosten weiter senken - so viel ist sicher. Noch gibt es keine offiziellen Zahlen zu weiteren Stellenstreichungen und Filialschließungen. Umstritten ist der Sparkurs aber schon jetzt.

Neue Sparpläne bei der Commerzbank sorgen schon vor einer endgültigen Entscheidung für Streit. Die für diesen Mittwoch (1. Juli) angesetzte außerordentliche Sitzung des Aufsichtsrates wurde kurzfristig abgesagt, wie die Deutsche Presse-Agentur aus mehreren Quellen erfuhr.

Damit wurde ein entsprechender Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ bestätigt. Einen neuen Termin gibt es demnach bislang nicht. Den Informationen zufolge beanstandeten die Arbeitnehmervertreter in dem Kontrollgremium, dass das Management dem Aufsichtsrat wichtige Unterlagen nicht rechtzeitig vorgelegt habe. Zugleich habe man mitbekommen, dass der US-Finanzinvestor Cerberus und der Bund als Großaktionäre in die Überarbeitung der Strategie eingebunden worden seien, hieß es. Daher sei die Verlegung der Sitzung beantragt worden.

„Ich finde es sehr merkwürdig und kritikwürdig, dass sich der Bund mit Cerberus an einen Tisch setzt und über die Strategie spricht und wir als Aufsichtsrat nicht im Boot sind“, sagte Verdi-Gewerkschaftssekretär Stefan Wittmann. Verdi fürchtet einen weiteren massiven Personal- und Filialabbau bei dem MDax-Konzern.

Der Bund ist seit der Finanzkrise 2008/2009 mit 15,6 Prozent größter Einzelaktionär des Frankfurter Instituts. Cerberus, der gut fünf Prozent der Aktien hält, hatte dem Commerzbank-Management jüngst in zwei Briefen Versagen und eine verfehlte Strategie vorgeworfen. Eine mit dem Vorgängen vertraute Person versicherte: „Die aktuelle Strategie ist nicht mit uns abgestimmt.“

Konzernchef Martin Zielke und Finanzvorständin Bettina Orlopp hatten nach einem Gewinneinbruch 2019 in diesem Februar angekündigt, dass der Sparkurs noch einmal forciert werden soll. Der Vorstand ist bei der Strategie nicht an die Zustimmung des Aufsichtsrats gebunden. Das Kontrollgremium muss lediglich über die Pläne informiert werden.

Im September hatte die Commerzbank angekündigt, konzernweit 4300 Vollzeitstellen zu streichen, zugleich aber in strategischen Bereichen wie Vertrieb, IT und Regulatorik 2000 Jobs zu schaffen. Somit ergab sich unter dem Strich ein Abbau von etwa 2300 Stellen. Zudem beschloss das Management im Herbst, etwa 200 Filialen und damit jeden fünften Standort in Deutschland zu schließen.

Nun ist in Medienberichten die Rede davon, dass die Bank bis zu 7000 Stellen abbauen könnte und etwa 400 Filialen schließen will. Unklar ist bisher, ob die im September verkündeten Zahlen darin eingerechnet sind. Die „Börsen-Zeitung“ (Dienstag) rechnet damit, dass bei der Commerzbank bis 2023 insgesamt rund 11.000 Stellen und 400 Filialen zur Disposition stehen könnten. Ende des ersten Quartals 2020 hatte die Bank auf Vollzeitbasis etwa 39.800 Mitarbeiter, im laufenden Jahr soll die Zahl nach letzten Angaben auf knapp 39.000 sinken.

Der Betriebsrat forderte einen Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen. „Der Stellenabbau muss sozialverträglich geschehen“, sagte der Vorsitzende des Gesamt- und Konzernbetriebsrats, Uwe Tschäge, dem „Handelsblatt“. „Betriebsbedingte Kündigungen darf es nicht geben, dafür werden wir kämpfen“, betonte Tschäge, der auch stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender ist. „Hier erwarte ich auch vom Bund als Großaktionär Unterstützung. Gerade die SPD muss sich in der Bundesregierung dafür einsetzen, dass mit den Mitarbeitern der Commerzbank anständig umgegangen wird.“

Eine Sprecherin der Commerzbank bekräftigte auf Anfrage: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir keine Spekulationen kommentieren. Wie bereits angekündigt werden wir die Details unseres Kostenprojekts spätestens mit unseren Q2-Zahlen veröffentlichen.“ Die Zahlen für das zweite Quartal will die Bank am 5. August veröffentlichen. Der Vorstand hatte wiederholt angekündigt, dann auch die Details zur überarbeiteten Strategie für die nächsten Jahre vorstellen zu wollen. Die Sprecherin betont: „Im Moment werden verschiedene Optionen geprüft. Noch wurden keine Entscheidungen getroffen.“

© dpa-infocom, dpa:200630-99-613524/4

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