Berlin (dpa)

Corona-Impfung für alle möglich - aber Geduld weiter nötig

| 07.06.2021 15:19 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Jeder, der möchte, kann sich nun um einen Termin für eine Corona-Impfung bemühen. Die sogenannte Priorisierung fällt grundsätzlich weg. Trotzdem heißt es für viele weiterhin: Geduld haben und warten.

Die streng festgelegte Reihenfolge bei der Corona-Impfung ist seit diesem Montag bundesweit aufgehoben. Mit dem Ende der sogenannten Priorisierung haben alle ab zwölf Jahren nun zumindest theoretisch die Möglichkeit, einen Impftermin zu bekommen.

Allerdings ist Geduld gefragt, und in den Bundesländern wird die Priorisierung teilweise auch noch aufrechterhalten. Mediziner und Vertreter der Kommunen sowie Betriebsärzte, die seit Montag ebenfalls mitimpfen dürfen, dämpften entsprechend die Erwartungen.

Knapp 55 Millionen Impfdosen wurden nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) inzwischen verabreicht (Stand Montagmittag). 38 Millionen Menschen (45,7 Prozent) sind mindestens einmal, 17,7 Millionen (21,3 Prozent) vollständig geimpft. Die Impfungen hatten Ende vergangenen Jahres begonnen. Zunächst waren Menschen über 80, Bewohner von Alten- und Pflegeheimen und medizinisches Personal an der Reihe. In der Reihenfolge kamen auch chronisch Kranke, später Lehrkräfte und Erzieher und andere Berufsgruppen früher zum Zug, bis die sogenannte Priorisierung nun schließlich aufgehoben wurde.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, sagte der „Rheinischen Post“ (Montag), die Aufhebung der Impfpriorisierung werde bei vielen Menschen zu Ernüchterung führen. „Enttäuschung und Frust sind dabei vorprogrammiert, da nicht sofort ausreichend Impfstoff zur Verfügung steht“, sagte er. „Frust und Enttäuschung werden sich noch verschärfen, da bis Mitte Juni 2021 - eventuell sogar bis Ende Juni - zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen keine Termine für Erstimpfungen in den Impfzentren zur Verfügung stehen werden.“

Der Impfstoff sei immer noch zu knapp für die hohe Nachfrage und werde auch weiterhin zu unzuverlässig geliefert, sagte Ulrich Weigeldt, Vorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes, den Zeitungen der Funde Mediengruppe (Montag). Gleichzeitig werde mit der Aufhebung der Priorisierung und der Ankündigung der Kinder- und Jugendimpfungen die Nachfrage noch zunehmen.

Während in den Arztpraxen die Priorisierung bundesweit generell wegfällt, soll sie etwa in den Impfzentren in Schleswig-Holstein, Hamburg oder Bayern vorerst bestehen bleiben. In Bremen arbeiten die Zentren die Vorranglisten zunächst weiter ab. Im Saarland sollen Menschen der bisherigen Priorisierungsgruppen nach wie vor vorrangig bei Terminen bedacht werden. In den übrigen Ländern endet auch in den Impfzentren die bisherige Impfreihenfolge.

Als einen „weiteren großen Fortschritt“ bezeichnete es Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Montag, dass nun auch die Betriebsärzte mitimpfen dürfen. Sie hätten auf diesen Tag gewartet und seien bereit, loszulegen, sagte er im RTL/ntv-„Frühstart“. „Das wird nochmal einen deutlichen Unterschied machen.“ Rund 6000 Betriebsärzte würden mitimpfen. Das bedeute drei Millionen Impfungen pro Monat mehr.

Allerdings geht es zunächst langsam los. Der Präsident des Verbands Deutscher Betriebs- und Werksärzte, Wolfgang Panter, sagte am Montag im Bayerischen Rundfunk (Bayern 2), die Zahl der zur Verfügung stehenden Impfdosen sei noch „überschaubar klein“. Die Bereitschaft unter den Betriebsärzten, beim Impfen mitzuwirken sei sehr hoch, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Das gelte auch für die Mitarbeiter. In Pilotprojekten hätten sich bis zu 70 Prozent der Mitarbeiter impfen lassen.

Auch Kinder ab zwölf können nach der Zulassung des Präparats von Biontech/Pfizer durch Europas Arzneimittelbehörde EMA theoretisch Impftermine bekommen. Am Montag beantragte zudem US-Hersteller Moderna bei der EMA die Zulassung seines Corona-Impfstoffs für Kinder und Jugendliche ab zwölf.

Eine Impfempfehlung für Kinder von den Experten der Ständigen Impfkommission (Stiko) in Deutschland gibt es bisher allerdings nicht. Am Donnerstag will die Kommission eine ergänzte Impfempfehlung veröffentlichen, wie eine Sprecherin des Robert Koch-Instituts, bei dem die Stiko angesiedelt ist, am Montag sagte. Es wird erwartet, dass die Experten mangels ausreichender Datenbasis keine generelle Impfempfehlung für alle Kinder ausspricht, sondern den Impfstoff zunächst vor allem etwa für vorerkrankte Kinder vorsieht.

Da es keine generelle Impfempfehlung für die Gruppe ab zwölf Jahren gebe, sei der individuelle Beratungsbedarf in den Praxen groß, sagte eine Sprecherin des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte am Montag. Es gebe einen kleineren Teil der Ärzte, der nur streng nach Stiko-Empfehlung immunisiere und einen ebenfalls kleineren Teil, der jeden jungen Patienten impfe, der dies wünsche. Die große Mehrheit der Kinder- und Jugendärzte liege zwischen diesen beiden Positionen. Aktuell sei ein großes Problem der viel zu knappe Impfstoff.

© dpa-infocom, dpa:210607-99-896271/3

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