Aurich

Authentische Zeugnisse des Weltkrieges

| 14.05.2020 13:38 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
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Der Esenser Autor Gerd Rokahr hat seine neue Dokumentation über Propagandaflugblätter im Zweiten Weltkrieg in der Auricher Landschaft vorgestellt. Während der erste Teil der Ausstellung noch in der Landschaft zu sehen war, ist der zweite Teil digital aufbereitet worden.

Aurich. Psychologische Kriegsführung ist keine Erfindung dieser Tage. Allein von England aus wurden zwischen 1939 und 1943 etwa 512 Millionen Flugblätter über Deutschland abgeworfen. Nicht wenige von ihnen landeten im Zweiten Weltkrieg in Ostfriesland.

Gerd Rokahr aus Esens, Autor, Illustrator und Regionalforscher, berichtete am Mittwoch während der Vorstellung der Dokumentation über Propagandaflugblätter und den entsprechenden Begleitband im Forum der Ostfriesischen Landschaft, dass er bereits vor 30 Jahren angefangen habe, Flugblätter zu sammeln. Anlass war der 75. Jahrestages des Kriegsendes am 8. Mai 1945. „Ich hatte in meiner Schulzeit so gut wie nichts über die Zeit des Nationalsozialismus gelernt“, bedauerte er. Er habe sein Wissen erweitert, in dem er Propagandaflugblätter erforschte.

Sammlung umfasst knapp 140 Exemplare

Zunächst beschränkte er sich auf englische Flugblattausgaben, die nachweislich in einzelnen Exemplaren oder massenhaft im Bereich Ostfriesland und Oldenburg verbreitet worden waren. Um auch die Flugblattpropaganda der übrigen kriegsführenden Staaten in Europa näher in den Blick nehmen zu können, entschloss sich Rokahr, seine Sammlung um eine kleine Auswahl charakteristischer Flugblätter aus Deutschland, Frankreich, USA und der Sowjetunion zu ergänzen.

Heute umfasst seine Sammlung knapp 140 Exemplare, teilt die Landschaft in einer Pressemitteilung mit. Diese möchte Rokahr in Zukunft dem Landesarchiv in Aurich überlassen, wo sie dann für die Öffentlichkeit zugänglich sein werden. Dessen Leiter Dr. Michael Hermann und Dr. Paul Weßels, Leiter der Landschaftsbibliothek, schätzen Gerd Rokahr als Autor, der seine Publikationen stets wissenschaftlich und anspruchsvoll aufbereitet.

Flugblätter werden in psychologischer Kriegsführung eingesetzt

In der Neuerscheinung beschreibt der Esenser unter anderem die Hintergründe der Flugblattverbreitung im Nordwesten Deutschlands, die polizeilichen Gegenmaßnahmen der Gestapo sowie Fundorte und Fundberichte in Ostfriesland. Indem er die Flugblattmotive beschreibt, stellt er sie zugleich in den Zusammenhang mit der Kriegsentwicklung. Rokahr bezeichnet die Flugblätter als authentische Zeugnisse des Weltkrieges. Sie führten den Betrachter zum einen politische und militärische Ereignisse bildlich vor Augen, darüber hinaus dokumentierten sie Wendepunkte des Kriegsverlaufs und das Ende des Zweiten Weltkrieges. In seiner Einleitung schreibt Gerd Rokahr: „Flugblätter sind Waffen; sie werden nach wie vor in der psychologischen Kriegsführung zur Verbreitung von wahren oder erfundenen Nachrichten zur Beeinflussung des Gegners eingesetzt.“

Neben Propagandaflugblättern sammelte Rokahr „Feindflugblätter“ aus der Sowjetunion und Frankreich und andererseits die deutschen Propagandaflugblätter, die über den angreifenden Truppen der Alliierten und über das feindliche Ausland abgeworfen wurden. Sie sollten die deutsche Bevölkerung auf die Auswirkungen nach dem Ende des Kriegs vorbereiten.

Ausstellung ist digital zu sehen

Nachdem der erste Teil der Gemeinschaftsausstellung noch im Landesarchiv gezeigt werden konnte, musste Teil zwei aufgrund der Corona-Krise kurzfristig digital aufbereitet werden. Hanke Immega, Mitarbeiter der Landschaftsbibliothek, stellte die Sammlung zusammen, so dass die Öffentlichkeit sie über die Homepage der Ostfriesischen Landschaft ansehen kann: www.ostfriesischelandschaft.de/2863.html.

Gerd Rokahr, Propagandaflugblätter des Zweiten Weltkrieges in Ostfriesland und an fernen Fronten 1939-1945, herausgegeben von der Ostfriesischen Landschaft und dem Niedersächsischen Landesarchiv. Der Band ist erhältlich über die Ostfriesische Landschaftliche unter www.olv-gmbh.de.