Aurich

Mangel an Bauexperten eine Chance für Azubis

| 07.10.2019 08:49 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Artikel teilen:

Es fehlt an Experten für alte Bausubstanz. An den Berufsbildenden Schulen 2 in Aurich erfuhren Handwerks-Azubis durch den Monumentendienst, dass dies für sie von Vorteil sein kann.

Sarah Mürmann, Inspektorin beim Monumentendienst, zeigt den Auszubildenden Jannik Brandt, 20 Jahre (rechts), und dem 31-jährigen Henok Desta, wie man Kitt vorsichtig entfernt – ohne dabei die Fensterrahmen zu beschädigen. Foto: Monumentendienst
Sarah Mürmann, Inspektorin beim Monumentendienst, zeigt den Auszubildenden Jannik Brandt, 20 Jahre (rechts), und dem 31-jährigen Henok Desta, wie man Kitt vorsichtig entfernt – ohne dabei die Fensterrahmen zu beschädigen. Foto: Monumentendienst
Aurich. Im Rahmen des Projektes „Vergangenheit hat Zukunft – Perspektive historisches Handwerk“ an den Berufsbildenden Schulen (BBS) 2 Aurich haben Azubis des Maurer-, Tischler- und Malerhandwerks aus dem dritten Lehrjahr in die Welt der historischen Handwerkstechniken hineingeschnuppert. Der Monumentendienst, der das Projekt an den Berufsschulen im Weser-Ems-Gebiet umsetzt, will damit bei den angehenden Handwerkern einen Impuls setzen, um die Begeisterung und das Verständnis für die Erhaltung von Baudenkmalen positiv zu beeinflussen. Das teilt der Monumentendienst mit. „Wer ein altes Haus besitzt, welches vor 1945 erbaut wurde, der weiß wie schwer es ist, einen Handwerker zu finden, dem man die wertvolle historische Bausubstanz anvertrauen kann“, heißt es in der Mitteilung.

Die Initiative

Der Monumentendienst ist eine Initiative der gemeinnützigen Stiftung Kulturschatz Bauernhof und setzt sich in der Region Weser-Ems für den Erhalt einzigartiger Architektur ein. Mühlen, Bauernhöfe, Herrenhäuser, Villen, Bürgerhäuser, Gulfhöfe, Schlösser, Leuchttürme, Burgen und viele mehr zeugen von der Geschichte der Landkreise, Städte und Gemeinden und tragen zu einer ausgewogenen architektonischen Erscheinung bei, schreibt der Monumentendienst.

Vor allem Privatleute sind Besitzer historischer Gebäude. Um die Eigentümer bei der Erhaltung und Bewahrung der wertvollen Schätze zu unterstützen und diese auch für die Nachwelt zu erhalten, wurde im Jahr 2004 der Monumentendienst gegründet. Heute betreut der Monumentendienst über 1700 historische Gebäude in der Weser-Ems Region und ist nach eigenen Angaben einzigartig in ganz Deutschland.

Das Land Niedersachsen sowie die Landkreise Ammerland, Aurich, Cloppenburg, Friesland, Grafschaft Bentheim, Leer, Oldenburg, Osnabrück, Wesermarsch und Wittmund sowie den Städten Emden, Oldenburg und Osnabrück fördern den Monumentendienst. „Die Eigentümer, die ihr historisches Gebäude erhalten wollen, profitieren unmittelbar von dieser Förderung“, schreibt die Initiative.

Durch das Aussterben der historischen Handwerkstechniken werde eine fachgerechte Sanierung der historischen Gebäude immer schwieriger, weil es kaum ausgebildete Handwerker auf diesem Gebiet gebe und das alte Wissen verloren gehe. Dieses Problem will der Monumentendienst bei der Wurzel packen und spricht mit dem Projekt gezielt Berufsschüler an. Ermöglicht durch das Förderprogramm Echy (European Cultural Heritage Year 2018) des Landes Niedersachsen und des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege vermittelt der Monumentendienst in eintägigen Workshops im Rahmen des normalen Schulunterrichtes in den Bereichen „Historisches Maurerhandwerk“, „Historisches Tischlerhandwerk“ und „Historisches Malerhandwerk“ Wissenswertes für die Berufsschüler.

Restauratoren im Maurerhandwerk fehlen in Ostfriesland

Normalerweise wird während der Ausbildung immer nach vorne auf die neuesten Techniken und DIN Normen geschaut, schreibt der Monumentendienst weiter. Der Blick in die Vergangenheit sei für die Schüler der BBS Aurich sehr spannend gewesen. Anstatt wegzuwerfen und durch Neues zu ersetzen, wurde den Schülern der nachhaltige Umgang mit historischen Baumaterialien vermittelt. Kalkknotenmörtel anrühren und mit weichgebrannten historischen Steinen einen Bogen mauern, Fensterkitt entfernen und altes, handgefertigtes Glas in ein Jahrhunderte altes Holzfenster einsetzen, Lackreste von uralten Haustüren entfernen und die Türen wieder in neuem Glanz erstrahlen lassen, Farbe nicht aus dem Eimer nehmen, sondern mit Hilfe von Quark und Eiern selbst anmischen – „die Palette der alten Handwerkstechniken ist riesig und inspirierte die jungen Auszubildenden zu der Erkenntnis, welche Vielfalt ihr angestrebter Handwerksberuf noch bieten kann“, heißt es.

Das ist das Ziel, das der Monumentendienst mit dem Projekt erreichen möchte. Zukünftige Fachkräfte mit Praxis für einen Weg zu begeistern, der dringend Nachwuchs brauche. Diese Notwendigkeit unterstrich auch Folkert Busker, Obermeister der Bauhandwerker-Innung, bei seinem Besuch bei den Berufsschülern des Maurerhandwerks. „Restauratoren im Maurerhandwerk gibt es so gut wie keine in Ostfriesland und die historischen Techniken können nur von den alten Meistern oder Altgesellen weitergegeben werden, die irgendwann auch nicht mehr da sind, stellte Busker fest.

Berichte über verzweifelte Gebäudeeigentümer

Sven Rieken (links), 21 Jahre, aus Westerende-Kirchloog, und der 20-jährige Markus Biller aus Veenhusen mauern mit Kalkknotelmörtel und historischen Steinen an einem Widerlager für einen geplanten Bogen. Foto: Monumentendienst
Sven Rieken (links), 21 Jahre, aus Westerende-Kirchloog, und der 20-jährige Markus Biller aus Veenhusen mauern mit Kalkknotelmörtel und historischen Steinen an einem Widerlager für einen geplanten Bogen. Foto: Monumentendienst
Stefan Eilers, Leiter für Bautechnik an der BBS 2 Aurich, begrüßte das Projekt des Monumentendienstes an seiner Schule. Gemeinsam mit den Fachlehrern betonte er, dass im Lehrplan der Berufsschulen historische Handwerkstechniken nicht vermittelt werden können, weil die Zielrichtung ist, die jungen Menschen auf die Herausforderungen der modernen Bauweise vorzubereiten. „Wichtig ist aber, dass die jungen Fachkräfte wissen, dass es diese Techniken gegeben hat und dass diese für historische Gebäude immer noch Anwendung finden“, betonte Eilers.

Darüber, dass es bezüglich des Nachwuchses für historische Handwerkstechniken „fünf vor zwölf“ ist, waren sich laut Monumentendienst alle einig. Katharina Duraj, Denkmalpflegerin des Landkreises Aurich, berichtete aus ihren Gesprächen mit verzweifelten Eigentümern, die für die Sanierung ihres denkmalgeschützten Gebäudes keine Handwerker finden. „Und diejenigen, die es könnten, haben die Auftragsbücher auf Jahre gefüllt“, schildert Duraj die aktuelle Situation. „Der Mangel an Handwerkern, die sich mit historischen Handwerkstechniken auskennen, ist erschreckend und bringt den Fortbestand unserer historischen Baukultur in Gefahr“, fasste die Denkmalpflegerin zusammen.

Bente Juhl, Projektleiterin beim Monumentendienst, betonte, dass mit dem aktuellen Projekt in einer wichtigen Orientierungsphase ein Impuls gesetzt werden kann, um den Entschluss, sich in der Baudenkmalpflege als Handwerker zu spezialisieren, positiv zu beeinflussen. Somit könnte das Projekt einen wichtigen Beitrag zum Fortbestand der historischen Baukultur im Weser-Ems-Gebiet leisten.