Musiktheater Ein tiefer Blick in die Seele der Auricher Jugend

Helmut Vortanz
|
Von Helmut Vortanz
| 05.11.2023 15:41 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Artikel hören:
Ausdrucksvoll haben die jungen Darstellerinnen und Darsteller am Wochenende das Musical „Beyond the Wall“ in der Auricher Stadthalle präsentiert. Fotos: Helmut Vortanz
Ausdrucksvoll haben die jungen Darstellerinnen und Darsteller am Wochenende das Musical „Beyond the Wall“ in der Auricher Stadthalle präsentiert. Fotos: Helmut Vortanz
Artikel teilen:

Am Wochenende war es so weit: Das Musical „Beyond the Wall“ hatte Premiere. Was die 30 Auricher Jugendlichen in der Stadthalle auf die Bühne gebracht haben.

Aurich - Begeistert feierten die Zuschauer am Sonnabend in der gut besetzten Auricher Stadthalle das Ensemble des Musicals „Beyond the Wall“. Sie hatten eine Aufführung von Auricher Jugendlichen gesehen, die einem professionellen Theater alle Ehre gemacht hätte. Musikalisch begleitet wurden Darsteller von einer Band, die sich hauptsächlich aus Musiklehrern der Kreismusikschule Aurich zusammensetzte.

Bildergalerie
29 Bilder
Premiere für Musical "Beyond the Wall"
05.11.2023

Nach einer Vorbereitungszeit von nahezu acht Monaten stellte das verantwortliche Kreativ-Team am Sonnabend das selbst entwickelte Musical „Beyond the Wall“ der Öffentlichkeit vor. Wie der Projekttitel erahnen lässt, basiert die Geschichte des Musicals auf dem Konzeptalbum „The Wall“ der Gruppe „Pink Floyd“ aus dem Jahr 1979. Die Geschichte um den Bassisten und Sänger Roger Waters, die vor 40 Jahren erzählt wurde, hat bis heute kaum etwas an Aktualität verloren. Durch die Musik und die Story inspiriert, haben Helen Kroeker vom Kirchenkreis Aurich und Christine Strauß vom Europahaus Aurich die Idee entwickelt, gemeinsam mit Jugendlichen ein Musical-Projekt im Frühjahr dieses Jahres in Angriff zu nehmen.

15-jährige Florentine im Mittelpunkt des Stückes

Dabei sollte jedoch nicht einfach die damalige Geschichte nacherzählt, sondern Themen, die Jugendliche und Erwachsene in der heutigen Zeit bewegen, verarbeitet werden. Die Musik von „Pink Floyd“ war zunächst als der rote Faden gedacht, der sich durch das ganze Stück zieht. Doch der Einfluss der Jugendlichen im Entwicklungsteam führte dazu, dass auch Elemente aus der jüngeren Popgeschichte in das Musical einzogen, die die Geschichte vorantrieben.

In den Mittelpunkt des Geschehens stellte das Team die 15-jährige Florentine Davids, genannt „Flo“. Ein junges Mädchen, verwöhnt, beliebt und selbstsicher. Gewohnt, dass ihre Freundinnen um ihre Gunst buhlen. Doch plötzlich brach die Pandemie über die Menschheit herein und stellte vor allem die jungen Leute vor Probleme, für die sie nicht verantwortlich waren. Klimakrise, Krieg und rechtes Gedankengut bauten zusätzlich Hürden für den Lebensweg auf.

Mobbing, Depressionen, Trennungsschmerz

Als sich plötzlich die Eltern des Mädchens trennen und ein Umzug in eine große Stadt ihr das gewohnte Umfeld und alle Freundinnen raubte, nahm das Verhängnis seinen Lauf. Neue Familie mit Stiefvater und Halbschwestern und eine Klasse, deren Schülerinnen ihr von Beginn an klar machten, dass sie nicht willkommen ist. Mit grenzenloser Brutalität wird „Flo“ von ihren Mitschülerinnen gemobbt und immer tiefer in die Depression getrieben. Alle Versuche, dagegen anzukämpfen, scheitern genauso wie eine Liebe zu Tammo. Nach der heimlichen Verabreichung einer gesundheitsgefährdenden Substanz bei einer Party bricht ihre Welt vollends zusammen. Das Ganze endet in Selbstmordgedanken bis hin zu einer inszenierten Beisetzung.

Acht Monate haben die Jugendlichen an dem Stück gearbeitet.
Acht Monate haben die Jugendlichen an dem Stück gearbeitet.

Doch aus eigener Kraft gelingt ihr der Ausbruch aus diesem Teufelskreis. Sie durchbricht die aufgetürmten Mauern mit der Erkenntnis, dass es sich nicht lohnt, dem eigenen Leben wegen auftretender Probleme ein Ende zu setzen.

Was dem Auricher Publikum mit der Aufführung des „Musical „Beyond the Wall“ geboten wurde, war Musiktheater auf höchstem Niveau. Angefangen bei einer Band, die den kraftvollen Sound von „Pink Floyd“ in die Halle trug und einem Chor, der einfühlsam die Lieder der Situation angemessen interpretierte, bis hin zu den Tänzerinnen der Tanzakademie Ilse Lah, die gekonnt die Musik umsetzten und die Handlung mit ihrer ausgefeilten Choreographie unterstützten.

Standing Ovations für alle Beteiligten

Getragen wurde das Musical von den Darstellerinnen und Darstellern, die das Publikum in ihren Bann zogen. Ihnen ist es gelungen, im Saal eine intensive Spannung und Betroffenheit aufzubauen, die hin und wieder ein Ventil brauchte. Glänzend gelungen ist dies den beiden Halbschwestern Penelope und Clarissa, dargestellt von Isabella Poljakovskij und Daja Pienter. Sie zauberten ebenso wie Mister „X“ (Noah Wegener) den Zuschauern ein Lächeln ins Gesicht. Überzeugend der Auftritt der Gegenspielerin Celina (Isabelle Römer) und ihrer Klassenkameradinnen.

Auch wenn das komplette Ensemble nicht eine Schwachstelle hatte, wurde alles überstrahlt vom Auftritt von Amy Lynn Schröder in der Gestalt der „Flo“. Diese junge Frau ist ein Multitalent und kann einfach alles, was das Musiktheater braucht: Schauspielkunst, Tanz und Gesang. Von gefühlvoll bis laut, von zerbrechlich bis kämpferisch, spielte Amy mit den Emotionen des Publikums. Ihre Darstellung der Hauptfigur wurde dementsprechend nach der Aufführung mit tosendem Beifall der stehenden Zuschauer belohnt.

Der galt auch dem gesamten Team im Hintergrund. Alle Verantwortlichen haben mit großem Engagement und Können dafür gesorgt, dass die Jugendlichen eine derartige Leistung auf die Bühne zaubern konnten.

Ähnliche Artikel