Gesundheits-Tipp Migräne im Job loswerden

Juliane Stadelmann, dpa
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Von Juliane Stadelmann, dpa
| 01.11.2023 12:33 Uhr | Lesedauer: ca. 8 Minuten
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Erfolgreich durchpowern: Bei Kopfschmerzen sinkt die Konzentration. Foto: Christin Klose/dpa-tmn
Erfolgreich durchpowern: Bei Kopfschmerzen sinkt die Konzentration. Foto: Christin Klose/dpa-tmn
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Rund 30 Millionen Fehltage fallen jährlich durch Kopfschmerzen an, so die Deutsche Migräne-Liga. Doch nicht jeder Kopfschmerz ist sofort eine Migräne. So bleiben Sie gesund und leistungsfähig.

Durch Kopfschmerzen sind wir meist unkonzentriert und weniger produktiv. Migräne ist bei Berufstätigen unter 50 weltweit die führende Ursache für Arbeitsausfälle und Krankschreibungen, so das Deutsche Ärzteblatt.

Obwohl viele Menschen betroffen sind, ist die Angst vor Ausgrenzung oder Stigmatisierung am Arbeitsplatz immer noch groß. Zu oft gelten Kopfschmerzen als Ausrede.

Doch ist es sinnvoll, mit Schmerzmitteln gegen Kopfschmerzen anzukämpfen, um leistungsfähig zu bleiben? Was tun, wenn ich von einer Attacke am Arbeitsplatz getroffen werde? Und wann sollte ich mit meinem Vorgesetzten sprechen?

Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Was sind typische Auslöser von Kopfschmerzen am Arbeitsplatz?

Wer Vollzeit einen Bürojob ausübt, verbringt theoretisch jeden Monat 160 Stunden vor dem Bildschirm. „Den ganzen Tag vorgebeugt am Computer sitzen, die rechte Hand an der Maus, die Augen fest fixiert - da kriegt jeder Kopfschmerzen“, erklärt Andreas Michalsen.

Der Chefarzt der Abteilung für innere Medizin und Naturheilkunde am Immanuel Krankenhaus Berlin kennt typische Auslöser für Kopfschmerzen am Arbeitsplatz:

  • zu wenig Pausen
  • zu wenig Bewegung an der frischen Luft
  • gestörter Schlafrhythmus durch Schichtarbeit
  • unregelmäßige Mahlzeiten
  • hohe Arbeitsbelastung und wenig Chancen zur Steuerung
  • hoher Geräuschpegel
  • zu hohe oder zu niedrige Bildschirmauflösung
  • falsche Bildschirm-Kalibrierung (Kontrast, Helligkeit, Farbe)
  • ungleichmäßige Verteilung von direktem und indirektem Licht

Übrigens: Verspannungen im Nackenbereich können auch durch nicht korrekt eingestellte Büromöbel entstehen - etwa durch einen zu niedrigen Stuhl oder einen zu hoch oder niedrig justierten Bildschirm.

Kopfschmerz durch Verspannungen: Es kann helfen, den Bürostuhl richtig einzustellen. Foto: Christin Klose/dpa-tmn
Kopfschmerz durch Verspannungen: Es kann helfen, den Bürostuhl richtig einzustellen. Foto: Christin Klose/dpa-tmn

Was zeichnet einen ergonomischen Arbeitsplatz aus?

Ein ergonomischer Arbeitsplatz ist die optimale wechselseitige Anpassung zwischen dem Menschen und seinen Arbeitsbedingungen. Natürlich ist das individuell verschieden und abhängig von Faktoren wie der Körpergröße und der körperlichen Konstitution.

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung nennt einige Faustregeln:

  • Der Abstand zwischen Augen und Bildschirm sollte mindestens 50 Zentimeter betragen.
  • Auf dem Bildschirm sollte sich keine Lichtquelle wie ein Fenster oder eine Schreibtischlampe spiegeln.
  • Der Winkel zwischen dem Unter- und Oberarm sollte auf dem Tisch abgestützt mindestens 90 Grad betragen.
  • Der Arm sollte auf einer verstellbaren Auflage liegen.
  • Der Winkel zwischen Ober- und Unterschenkel sollte 90 Grad sein.
  • Die Arbeitsfläche sollte mindestens 80 Zenitmeter tief sein.
  • Tisch und Bürostuhl sollten höhenverstellbar sein.
  • Der Bürostuhl sollte auf fünf gleichen Rollen stehen und eine verstellbare Rücken- oder Lendenstütze haben.

Übrigens: Ein sicherer, ergonomischer Arbeitsplatz, der die Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gewährleisten soll, ist gesetzlich in der Arbeitsstättenverordnung geregelt.

Wie wirken sich Kopfschmerzen auf die Leistungsfähigkeit aus?

Allen Kopfschmerzen ist gemein, dass sie die Leistungsfähigkeit vermindern und das Stresslevel erhöhen.

Bei Kopfschmerzen...

  • sinkt die Konzentration.
  • treten vermehrt Fehler auf.
  • verlangsamen sich gewohnte Handgriffe.

Tipp: Spannungskopfschmerzen können Sie durch frische Luft oder frei verkäufliche Medikamente lindern. Bei einer Migräne ist das häufig schwieriger. Hier ist die Leistungsfähigkeit stärker eingeschränkt.

Wie wirkt sich Migräne auf den Job aus?

Eine Migräne mit Aura kann etwa die Kommunikation mit Kollegen und Kundinnen erschweren oder sogar unmöglich machen. Der Grund: Bei Betroffenen kann das Hören und Sprechen beeinträchtigt sein.

Als Migräne mit Aura bezeichnet man eine Migräneattacke, die von neurologischen Symptomen begleitet wird. Das können Sehstörungen sein, aber auch taube oder kribbelnde Körperteile. Die Symptome sind sehr individuell. Die Aura dauert meistens eine halbe Stunde an.

Achtung: Wer eine Migräne mit Aura hat, kann keine Maschinen mehr bedienen oder Fahrzeuge lenken - und sollte es auch nicht versuchen. Betroffene sind sonst ein Risiko für sich und andere.

Wie kann ich möglichst lange konzentriert arbeiten?

Das ist individuell unterschiedlich. Dabei spielen aber auch Faktoren wie die Art der Arbeit, die Umstände - also zum Beispiel der Lärmpegel - und die Tagesform eine Rolle.

Dennoch gibt es klare Regeln: Wer 6 bis 8 Stunden arbeitet, muss spätestens nach 6 Stunden eine Pause von mindestens 30 Minuten einlegen. Das regelt Paragraf 4 des Arbeitszeitgesetzes. Bei einer Arbeitszeit von 9 Stunden stehen Ihnen 45 Minuten Pause zu.

Foto: Monique Wüstenhagen/dpa-tmn
Foto: Monique Wüstenhagen/dpa-tmn

Gewerkschaften, Ärztinnen und Ärzte, aber auch Versicherungen empfehlen, öfters kurze Verschnaufpausen einzubauen.

Dazu gehört beispielsweise..

  • sich kurz zu räkeln und zu strecken.
  • ein kurzes Gespräch mit Kolleginnen und Kollegen auf dem Flur.
  • für fünf Minuten an etwas Schönes zu denken.

Das alles kann entspannen - und nur dann können Sie jeden Tag acht Stunden vor dem Bildschirm ihre Arbeit verrichten.

Was kann ich bei Kopfschmerzen während der Arbeit tun?

Eine Tablette gegen Kopfschmerzen sollten Sie nur in Ausnahmefällen einnehmen. Charly Gaul vom Kopfschmerzzentrum in Frankfurt am Main rät: Schmerzmittel sollten Sie an weniger als zehn Tagen im Monat und nicht häufiger als drei Tage in Folge einnehmen.

Nur so können Sie einen medikamentenverursachten Kopfschmerz verhindern, der durch den Übergebrauch ausgelöst werden kann, erklärt der Neurologe und Schmerztherapeut.

Wer nicht sofort zur Tablette greifen möchte, für den eignen sich bei Spannungskopfschmerzen folgende sechs Tipps:

  • Frische Luft: Am besten lüften und Pausen nach draußen verlegen.
  • Dehnungsübungen: So können Sie Verspannungen vermeiden und lösen.
  • Wärme: Sie hilft insbesondere bei einer verspannten Nackenpartie.
  • Kühlung: Pochen die Schläfen, kann ein kühles Gelkissen helfen.
  • Weitblick: Die Augen entspannen, indem Sie in die Ferne blicken.
  • Massagen: Pfefferminzöl an Schläfen, Stirn und Nacken auftragen.

Was tun, wenn Stress die Ursache für Kopfschmerzen ist?

Was wir als Stress empfinden, ist individuell sehr unterschiedlich und hat nicht nur mit der Arbeitsdauer und -belastung zu tun.

Mediziner Michalsen veranschaulicht das an einem Beispiel:

  • Wenn im hohe Anforderungen herrschen, aber die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter nichts zu entscheiden hat, kann das viel Stress bedeuten.
  • Ein vielbeschäftigter CEO hingegen hat oft die Möglichkeit, alles selbst zu gestalten und zu entscheiden - und empfindet dadurch womöglich weniger Stress.

Bewegung reduziert Stress und Verspannungen, fördert die Durchblutung und hat einen wissenschaftlich belegten, positiven Effekt auf Migräne. Neben Sport können auch Entspannungsmethoden helfen.

Die Möglichkeit, mit Sport sanft gegen Kopfschmerzen vorzugehen, wird laut Michalsen manchmal nicht voll ausgeschöpft.

Foto: Christin Klose/dpa-tmn
Foto: Christin Klose/dpa-tmn

Muss mein Arbeitgeber Gesundheitsproblemen vorbeugen?

Der Arbeitgeber ist dazu verpflichtet, Maßnahmen durchzuführen, die der Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz dienen. So regelt es das Arbeitsschutzgesetz.

Dazu gehört die standardisierte Gefährdungsbeurteilung. Demnach muss ein Arbeitgeber neben der Gestaltung und Einrichtung des Arbeitsplatzes beispielsweise auch psychische Belastungen und den Lärmpegel im Büro beurteilen lassen.

„Das ist gesetzlich vorgeschrieben, aber wir haben die Situation, dass nur 50 Prozent der Unternehmen eine Gefährdungsbeurteilung durchführen“, sagt Katrin Willnecker, Referentin für Arbeits- und Gesundheitsschutz bei der Gewerkschaft Verdi.

Vielen Arbeitgebern sei die Bedeutung dieses Vorgehens nicht bewusst. „Die Gefährdungsbeurteilung reduziert und vermeidet Gefährdungen und Unfälle der Beschäftigten und damit Zusatzkosten, die zum Beispiel durch Arbeitsausfälle entstehen“, sagt Willnecker. „Sie erhöht somit auch die Wirtschaftlichkeit des Betriebes.“

Muss mich der Arbeitgeber unterstützen, wenn ich schlechte Augen habe?

Wer trotz korrekt eingerichtetem Arbeitsplatz und Bildschirm ständig Kopfschmerzen bekommt, sollte laut dem Kuratorium Gutes Sehen seine Sehfähigkeiten überprüfen lassen.

Unter Umständen kann eine Arbeitsplatzbrille die Lösung sein. Diese Brillen sind besondere Gleitsichtbrillen mit einem großen Sehbereich für kürzere Distanzen. Sie werden individuell angefertigt und ermöglichen entspanntes Sehen und eine unverkrampfte Körperhaltung.

Der Arbeitgeber ist nach entsprechender Indikation durch den Betriebsarzt oder einen Augenarzt dazu verpflichtet, sich an den Kosten für die Brille zu beteiligen.

Foto: Christin Klose/dpa-tmn
Foto: Christin Klose/dpa-tmn

Kann ich bei Kopfschmerzen einfach zu Hause bleiben?

Sehr starke Kopfschmerzen oder eine Migräneattacke können zur vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit führen. Das gilt etwa dann, wenn jemand eine Migräne mit Aura hat und schwere Maschinen bedienen müsste. Gleiches gilt bei Sehstörungen durch die Aura.

Wichtig: Sie müssen die Arbeitsunfähigkeit und die voraussichtliche Dauer unverzüglich dem Arbeitgeber melden.

Eine Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit müssen Sie per Gesetz spätestens ab dem dritten Tag der Krankheit vorlegen. Der Arbeitgeber kann sie aber schon vorher einfordern. Dabei dürfen Vorgesetzte aber nicht schikanös oder willkürlich handeln.

Ob Sie mit Kopfschmerzen arbeiten können, ist generell eine ganz individuelle Entscheidung. Dabei sollten Sie sorgsam abwägen. Gesundheit geht vor.

Bei chronischen Kopfschmerzen (mindestens 15 Tage pro Monat) sollten Sie zur Abklärung einen Arzt oder eine Ärztin aufsuchen - wenn möglich sogar einen Betriebsarzt oder eine Betriebsärztin. Es gibt über 220 Kopfschmerzerkrankungen mit sehr individuellen Ursachen.

Bei einer längeren Arbeitsunfähigkeit erhalten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen genau wie bei anderen Krankheiten auch sechs Wochen lang ihren Lohn fortgezahlt. Danach bekommen sie Krankentagegeld.

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