Gedenken an Nazi-Opfer Stolpersteine kehren in Auricher Fußgängerzone zurück


Wegen der Sanierung der Osterstraße mussten die Stolpersteine weichen. Nun wurden sie wieder verlegt. Drei neue kamen hinzu – und der Vorschlag, eine Schule umzubenennen.
Aurich - Fast fertig schien die Fußgängerzone in der Osterstraße zu sein. Die Pflasterung ist vollständig, Bänke und Mülleimer stehen, und auch Spielgeräte wurden aufgestellt. Vollstündig ist die Straße aber erst wieder seit Dienstagvormittag. Zwölf Schüler der Berufsfachschulklasse Bautechnik der BBS 2 Aurich hat mit ihrem Lehrer Harmannus Cornelius die Stolpersteine wieder eingesetzt, die wegen der Bauarbeiten vorübergehend weichen mussten. Bei der Gelegenheit wurden auch drei neue Steine sowohl in der Osterstraße als auch in der Oldersumer Straße gesetzt. Es handelt sich laut Günther Lübbers, Leiter des Arbeitskreises Stolpersteine, um die letzten der bislang 409 Stolpersteine, die in Aurich verlegt worden sind.
Das bedeute aber nicht, dass nun keine Steine mehr verlegt werden können. Denn Geld sei noch vorhanden. Es sei gut vorstellbar, auch zu anderen Personengruppen zu recherchieren, die im Nationalsozialismus in Aurich gelebt hätten und verfolgt worden seien. Ein Beispiel seien Sinti und Roma.
Erster Stolperstein für Nicht-Juden
Am Dienstag wurde in Aurich zum ersten Mal ein Stolperstein für einen Nicht-Juden verlegt. Es handelt sich dabei um Professor Adolf Jensen, der in der Oldersumer Straße 74 gelebt hat. Er war der erste Auricher Landtagsabgeordnete nach dem Zweiten Weltkrieg. Für ihn wurde bereits vor einem Jahr eine Gedenktafel an seinem ehemaligen Wohnhaus angebracht.

Durch die Wirrungen des Krieges war der gebürtige Kieler Jensen, den die Nationalsozialisten zum Tode verurteilt hatten, nach Aurich gekommen. Adolf Jensen war zunächst nicht Politiker, sondern Pädagoge. Geboren 1878 in der Nähe von Kiel begann er bereits im Alter von 21 Jahren, als Lehrer zu arbeiten. Schnell wurde ihm klar, dass an den Lehranstalten, an der Art des Unterrichts, etwas geändert werden musste. Er setzte sich zunächst in Hamburg, besonders aber als Rektor der Rütli-Schule in Berlin dafür ein, Schule moderner und schülerfreundlicher zu gestalten.
Vorschlag: IGS Aurich umbenennen
Zu modern für die Nationalsozialisten. Gleich nach der Machtergreifung erteilten sie Jensen, der seit 1929 Professor für Methodik und Didaktik an der Technischen Hochschule Braunschweig war, Berufsverbot. Jede Lehrtätigkeit innerhalb Deutschlands wurde ihm verboten. Also bewarb Jensen sich nach Kriegsbeginn bei der Wehrmacht in den besetzten Niederlanden – und wurde genommen. Dort unterrichtete er verwundete Soldaten, hielt aber auch mit seiner politischen Meinung nicht hinter dem Berg. „Juden sind auch nur Menschen“, sagte er in einer Runde, an der auch eine deutsche Agentin teilnahm.
Der Satz brachte Jensen vor den Kriegsgerichtshof in Den Haag, wo er zum Tode verurteilt wurde. Das Urteil wurde ausgesetzt mit der Auflage, die Niederlande binnen vier Tagen zu verlassen. Jensen schlug sich zu seiner Schwester nach Haxtum durch. Sie versteckte ihn bis Kriegsende auf dem Dachboden.

Die Patenschaft für den Stolperstein für Adolf Jensen hat Dr. Dorothee Göckel, Leiterin der IGS Aurich, für die Gesamtschule übernommen. Der Geschichte von Adolf Jensen hat sich der mittlerweile 85-jährige Auricher Albert Groeneveld angenommen. Er lernte „Onkel Addi“ über seine spätere Schwiegermutter Hedwig Ohrt kennen. Er sorgte im vorigen Jahr für die Gedenkplatte am Haus Oldersumer Straße 74. Und er macht laut Günther Lübbers einen weiteren Vorschlag, um den Reformpädagogen Jensen zu ehren: Die IGS Aurich könnte in Adolf-Jensen-Schule umbenannt werden. „Dann hätte sie auch endlich einen richtigen Namen“, fügt Lübbers hinzu. Eine Änderung, die allerdings erst in den politischen Gremien des Landkreises Aurich entschieden werden müsste.

Neue Steine gab es am Dienstag auch für Jacob Meyer Sternberg und seine Frau Röschen, geborene Stein. Sie lebten bis 1937 in der Osterstraße 16/18, dem heutigen Gebäude der Ostfriesischen Landschaftlichen Brandkasse. Nach den Neuverlegungen kümmerten sich die Schüler der Berufsfachschulklasse um die 43 Stolpersteine, die wegen der Bauarbeiten in der Fußgängerzone entfernt worden waren. Die Verlegung ist laut Lehrer Harmannus Cornelius etwas schwieriger als noch beim alten Pflaster. Denn die verwendeten Steine seien sehr viel größer und schwerer. Beim Zurechtschneiden habe dementsprechend auch die Baufirma Strabag mit speziellem Gerät geholfen, damit die Schüler zügig die Stolpersteine neu verlegen konnten.