Frankfurt/Main (dpa)

EZB verringert Anleihenkäufe früher als geplant

Jörn Bender und Friederike Marx, dpa
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Von Jörn Bender und Friederike Marx, dpa
| 10.03.2022 04:58 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Die Europäische Zentralbank in Frankfurt am Main. Foto: Frank Rumpenhorst/dpa
Die Europäische Zentralbank in Frankfurt am Main. Foto: Frank Rumpenhorst/dpa
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Das Ende der seit Jahren ultralockeren Geldpolitik im Euroraum rückt näher. Die Europäische Zentralbank steuert allmählich um. Bis die Zinsen wieder steigen, müssen sich Sparer allerdings noch gedulden.

Europas Währungshüter steuern trotz neuer Risiken für die Konjunktur auf ein Ende ihrer ultralockeren Geldpolitik zu.

Die Europäische Zentralbank (EZB) fährt ihre milliardenschweren Anleihenkäufe früher zurück als geplant und stellt deren Ende im Sommer in Aussicht. Wann die Zinsen im Euroraum nach jahrelangem Rekordtief wieder steigen werden, ließ Notenbank in Frankfurt am Donnerstag aber offen.

Der EZB-Rat reagierte mit seinen Beschlüssen auf die anhaltend hohe Inflation, die durch den Ukraine-Krieg zusätzlich angeheizt wird. Angesichts der neuen Unsicherheiten für die Konjunktur hatten etliche Volkswirte eigentlich damit gerechnet, dass die EZB abwarten würde.

EZB folgt US-Fed und Bank of England

„Es wäre nicht die richtige Antwort gewesen, eine unsichere Situation noch unsicherer zu machen“, begründete EZB-Präsidentin Christine Lagarde die Weichenstellungen der Notenbank. „Wir reden nicht über Beschleunigung, wir reden über Normalisierung.“ Die EZB folgt damit anderen großen Notenbank wie der US-Fed und der Bank of England, die ihre Geldpolitik bereits wieder gestrafft haben.

Dass sich die Inflation hartnäckiger als befürchtet auf hohem Niveau hält, hatte auch unter den Euro-Hütern in den vergangenen Wochen die Sorgen wachsen lassen. In Deutschland kletterte die jährliche Teuerungsrate im Februar mit 5,1 Prozent wieder über die Fünf-Prozent-Marke. Im Euroraum lagen die Verbraucherpreise im Februar um 5,8 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats.

Für das laufende Jahr rechnet die EZB nun mit einer Teuerungsrate von 5,1 Prozent im Währungsraum der 19 Länder, 2023 sollte die Inflation demnach deutlich auf 2,1 Prozent zurückgehen. Die EZB strebt mittelfristig eine stabile Gemeinschaftswährung bei einer Preissteigerung von 2 Prozent an. Höhere Inflationsraten schmälern die Kaufkraft von Verbrauchern. Sie können sich für einen Euro dann weniger leisten. Kritiker werfen der EZB schon länger vor, mit ihrer Flut billigen Geldes die Inflation sogar noch anzuheizen.

Die monatlichen Anleihenkäufe im Rahmen des APP-Programms will die EZB nun im April zunächst auf 40 Milliarden Euro verdoppeln. Im Mai will die Zentralbank 30 Milliarden Euro investieren, im Juni dann noch 20 Milliarden Euro. Im dritten Quartal könnten die Käufe frischer Wertpapiere ganz beendet werden, abhängig von der Lage. Ursprünglich wollte die EZB das APP-Kaufvolumen erst ab Oktober 2022 wieder auf 20 Milliarden Euro verringern.

„Alles in allem sind die heutigen Entscheidungen ein guter Kompromiss, der ein Höchstmaß an Flexibilität bei einer sehr allmählichen Normalisierung der Geldpolitik bewahrt“, resümierte ING-Deutschland-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. „Eine erste Zinserhöhung vor Ende des Jahres ist immer noch möglich.“

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer bezeichnete das in Aussicht gestellte Ende der Käufe neuer Anleihen im dritten Quartal als „einen ersten Schritt, die sehr lockere Geldpolitik zu normalisieren. Aber bis zur ersten Zinserhöhung ist es noch ein langer Weg.“

Christian Ossig, Hauptgeschäftsführer es Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), forderte: „Auch wenn die Europäische Zentralbank ihre Anleihekäufe schneller zurückfährt, als noch vor kurzem geplant: Sie darf auch bei den Leitzinsen nicht mehr länger zögern. Sie muss noch in diesem Jahr die Negativzinspolitik beenden.“

Allerdings haben sich die Aussichten für die Konjunktur eingetrübt. Russlands Krieg gegen die Ukraine trifft auch Europas Wirtschaft, die sich gerade von den Folgen der Corona-Pandemie erholt. In ihrer neuesten Vorhersage rechnet die EZB mit 3,7 Prozent Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr. Im Dezember war die Notenbank noch von einem Plus 4,2 Prozent ausgegangen. 2023 werde das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Euroraum um 2,8 Prozent zulegen.

Die EZB hat sich bereits darauf festlegt, dass sie die Zinsen erst dann wieder anheben will, nachdem sie kein frisches Geld mehr in den Erwerb von Wertpapieren von Staaten und Unternehmen steckt. Der Leitzins im Euroraum bleibt vorerst auf dem Rekordtief von null Prozent, auf dem er seit sechs Jahren liegt. Parken Banken Gelder bei der EZB, müssen sie weiterhin 0,5 Prozent Zinsen zahlen.

„Änderungen der EZB-Leitzinsen werden einige Zeit nach dem Ende der Nettoankäufe des EZB-Rats im Rahmen des APP vorgenommen“, erklärte die Notenbank. Lagarde bekräftigte: „Wir wollen so viele Optionen wie möglich haben, wir bemerken, dass es eine große Unsicherheit gibt.“

Bereits im Dezember hatte die EZB beschlossen, dass sie im Rahmen ihres in der Corona-Pandemie aufgelegten Anleihenkaufprogramms PEPP nur noch bis Ende März 2022 zusätzliche Wertpapiere kaufen wird. Gelder aus auslaufenden PEPP-Papieren will die Notenbank aber bis mindestens Ende 2024 neu angelegen, auch die Gelder aus auslaufenden APP-Papieren sollen „für längere Zeit“ neu investiert werden. Anleihenkäufe der EZB helfen Staaten wie Unternehmen: Diese müssen für ihre Wertpapiere nicht so hohe Zinsen bieten, wenn eine Zentralbank als großer Käufer am Markt auftritt.

© dpa-infocom, dpa:220310-99-457001/8

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