Schicksal im Flutgebiet

Erst kam das Hochwasser, dann die Kündigung

Dirk Müller
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Von Dirk Müller
| 17.10.2021 15:11 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Freya Sautner und Josef Koch hatten ihr Traumhaus in Stolberg gefunden und gemietet. Inzwischen ist aus dem Traum ein Albtraum geworden. Foto: Müller
Freya Sautner und Josef Koch hatten ihr Traumhaus in Stolberg gefunden und gemietet. Inzwischen ist aus dem Traum ein Albtraum geworden. Foto: Müller
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Diese Zeitung sammelt Spenden für Hochwasseropfer in Stolberg und Eschweiler. In diesem Artikel geht es um ein junges Paar, das nach der Flut in der Stolberger Altstadt um sein Zuhause kämpft.

Gemeinsam mit der Aachener Zeitung (AZ) sammelt diese Zeitung Spenden für die Flutopfer in Eschweiler und Stolberg. Fast 290.000 Euro sind schon zusammengekommen. Volontärin Hannah Weiden wird noch im Oktober nach Aachen fahren und sich vor Ort über Projekte informieren, denen dieses Spendengeld helfen kann. Dieser Text ist in der AZ erschienen.

Stolberg - Als das junge Paar ein kleines Bruchsteinhaus in der Stolberger Altstadt angemietet hat, haben Freya Sautner und Josef Koch sich damit einen Traum erfüllt. Dieser ist inzwischen zu einem Alptraum geworden, denn erst kam das Hochwasser und dann die fristlose Kündigung. „Wir sollten von einem Tag auf den anderen plötzlich obdachlos sein. Das war ein enormer Schock für uns“, berichtet Freya Sautner. „Und die Gründe für die fristlose Kündigung sind absolut nicht nachvollziehbar“, ergänzt Josef Koch.

Im Mai hatten er und seine Lebensgefährtin das denkmalgeschützte Haus bezogen. „Es hat einfach alles gepasst. Die Lage in der schönen Altstadt, der malerische Platz und die sanft plätschernde Vicht vor der Haustüre“, führt Koch aus. Der erste Schock war die Flutkatastrophe am 14. und 15. Juli. „Im Vergleich zu vielen anderen Menschen hatten wir dabei noch Glück im Unglück. Das Erdgeschoss wurde zwar überflutet, aber wir hatten ja noch das erste und das zweite Obergeschoss sowie die Dachterrasse mit kleinem Grillplatz und Garten.“

Die böse Überraschung nach der Flut

Unmittelbar nach dem Hochwasser habe das Paar begonnen, Wasser, Schmutz und Schutt aus dem Erdgeschoss zu entfernen. „Nachdem wir wirklich viel gearbeitet hatten, sind wir am 25. Juli in Urlaub gefahren und haben Verwandte besucht“, sagt Sautner. Auf dem Rückweg habe dann am 5. August die Vertreterin der Eigentümerin des Hauses angerufen. „Auf ihre Bitte hin sind wir erst bei meiner Mutter untergekommen und haben dann in einem Hotel gewohnt, um die Instandsetzungsarbeiten sowie die Trocknung und Lüftung des Erdgeschosses nicht zu behindern“, erläutert Freya Sautner.

Bei einem Treffen mit der Vertreterin der Hauseigentümerin am 9. August gab es dann die böse Überraschung: die fristlose Kündigung, im Auftrag der Vermieterin vom Verein der Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer Stolberg verfasst. In der Begründung heißt es, das Haus sei vollständig, also auf allen drei Etagen, unbewohnbar. Ein Gutachten eines vereidigten Sachverständigen, das die Unbewohnbarkeit des Hauses bestätigt, erhalten die Mieter nicht – nur die fristlose Kündigung. In dieser steht geschrieben, die sogenannte Opfergrenze sei erreicht, die Wiederherstellung des Hauses sei also der Vermieterin wirtschaftlich nicht zumutbar.

Das Paar kämpft um sein Zuhause

„Wir haben zwei Anwälte für Mietrecht und den Mieterschutzverein für Aachen um Rat gebeten. Deren Einschätzung war unisono, dass die fristlose Kündigung jeder Grundlage entbehrt“, sagt Josef Koch.

Der 31-Jährige ist Doktor der Ökotoxikologie, seine 33-jährige Partnerin Freya Sautner ist Biotechnologin, und beide betonen, die erste und zweite Etage seien trocken und frei von Schimmel und dementsprechend weiterhin bewohnbar. „Wir haben ein Dach über dem Kopf, Strom und Wasser. Die Alternative wäre die Obdachlosigkeit“, meint Sautner. Auch die vermeintliche wirtschaftliche Unzumutbarkeit der Wiederherstellung verstehe das Paar nicht. „Wenn die Gebäudeversicherung, deren Beiträge wir mit unseren Nebenkosten zahlen, die Kosten der Wiederherstellung nicht tragen sollte, können dafür staatliche Hilfen in Anspruch genommen werden“, argumentiert Koch. „Und wir wollen ja für den bewohnbaren und nutzbaren Teil des Hauses weiterhin Miete und Nebenkosten zahlen. Damit wäre die wirtschaftliche Situation der Vermieterin besser als mit einem leerstehenden Haus.“

Nach juristischer Beratung und dem Widerspruch der fristlosen Kündigung wohnt das Paar inzwischen wieder in den Obergeschossen des angemieteten Hauses.

Der Verein der Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer Stolberg, die Vertreterin der Eigentümerin und die zwischenzeitlich von der Vermieterin beauftragte Anwaltskanzlei haben Fragen der Redaktion zu dem Sachverhalt nicht beantwortet und keine Stellungnahmen abgegeben.

Informationen zur Spendenaktion für die Betroffenen des Hochwassers in Eschweiler und Stolberg gibt es hier.

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