Meinung

Der Internet-Pöbel hat sein Urteil gesprochen

Stephan Schmidt
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Von Stephan Schmidt
| 29.05.2021 10:19 Uhr | 2 Kommentare | Lesedauer: ca. 2 Minuten
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Im Rechtsstreit um Corona-Tests an der Waldorfschule in Aurich ist ein Urteil, aber nicht das letzte Wort gesprochen worden. Das Verfahren soll in die nächste Instanz. Geht es dabei noch um Recht?

Es ist noch nicht vorbei: Der Rechtsstreit um Corona-Tests an der Auricher Waldorfschule im September geht weiter. Das Oberlandesgericht Oldenburg hat zwar jetzt geurteilt: Alles war rechtens. Aber der Anwalt der Mutter des Viertklässlers, die im Vorfeld nicht über den Test informiert worden war, will in die nächste Instanz.

Hilfe oder Körperverletzung? Eine Impfung gegen das Coronavirus wird gesetzt. Foto: DPA
Hilfe oder Körperverletzung? Eine Impfung gegen das Coronavirus wird gesetzt. Foto: DPA

Man muss sich das vorstellen: Das Gesundheitsamt des Landkreises Aurich macht in der Schule Covid-19-Tests, weil eine Infektion vorliegen könnte, und der Mitarbeiter des Amtes, der bei dem Jungen den Abstrich genommen hat, wird kriminalisiert. Der Test sei eine Körperverletzung, so Rechtsanwalt Dr. Christian Knoche und seine Auricher Mandantin. Dass sich der Hesse überhaupt mit dem Fall beschäftigt, liegt an der reißerischen Berichterstattung des Videoblogs Aurich-TV. Dieses hatte damals zuerst über den vermeintlichen Skandal berichtet und im gleichen Atemzug kommentiert – und damit die bundesweite Querdenker- und Corona-Verharmloserszene bei Facebook und Youtube im Sturm erobert. Gegenrecherche fand nicht statt. Die Berichte stützten sich allein auf die Erzählungen des Kindes und seiner Mutter.

Anwürfe ohne Maß

Für das Videoblog brachte das Zehntausende Klicks. Knoche und die Mutter, die sich an Aurich-TV gewandt hatte, standen für Videomitschnitte zur Verfügung. Der Internet-Mob tobte. Und das ist wörtlich zu nehmen: Elf Strafanzeigen wegen Bedrohung und Beleidigung von Mitarbeitern musste der Landkreis stellen. Zum Teil wurden Geldstrafen verhängt. Die „Kritik“ an dem Amt kannte kein Maß.

Nun wird der Gesundheitsamt-Mitarbeiter vor die nächste Instanz, das Verwaltungsgericht, gezerrt. Und sollte auch dort ein Freispruch folgen, wollen Knoche und die Mutter weiterziehen. Geht es dabei noch um Recht? Im besten Fall ist das Rechthaberei, im schlimmsten Geltungssucht auf Kosten eines Kindes und der pflichtbewussten Mitarbeiter des Gesundheitsamtes.

Diese leisten ihren Dienst für uns alle. Sie wollen Schaden von uns abwenden. Und werden an den Pranger gestellt. Der Internet-Pöbel hat schon lange ein Urteil gesprochen. Und das fußt nicht auf gesundem Menschenverstand.

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