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Fußball vor Fans: Sind Corona-Massentests die Lösung?

Claas Hennig, dpa
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Von Claas Hennig, dpa
| 28.07.2020 10:09 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Die Sehnsucht der Fans und der Vereine nach Fußball-Partien vor Publikum ist groß. Doch wie lässt sich das umsetzen? Als ein Mittel werden Massentests von Zuschauern einen Tag vor einem Spiel vorgeschlagen. Es gibt Zweifel an der Maßnahme.

Die Zahl der Corona-Infektionen in Deutschland steigt wieder. Die Furcht vor einer zweiten Welle der Pandemie und ihren Folgen wächst. Dennoch gibt es Hoffnung, dass wieder Zuschauer zugelassen werden können.

Die Fußball-Fans, Vereine und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hoffen, dass mit Beginn der neuen Saison im September wieder Länderspiele, Pokal-Partien und die Bundesliga mit Publikum möglich sind.

Die Deutsche Fußball Liga (DFL) und der DFB haben Mitte Juli Leitplanken für die Wiederzulassung von Besuchern in der 1., 2. und 3. Liga aufgestellt und die Vereine aufgefordert, eigene Hygienekonzepte nach lokalen Begebenheiten in Abstimmung mit den Gesundheitsbehörden zu erstellen. Darüber hinaus wird über massenhafte Präventivtests für Zuschauer diskutiert. Doch sind sie ein taugliches Mittel?

BEHAUPTUNG: Massentests ermöglichen eine Rückkehr von Fans in die Stadien.

BEWERTUNG: Nach Expertensicht sind Massentests kein geeignetes Mittel, um eine Ausbreitung des Coronavirus in Fußballstadien zu verhindern und die Sicherheit der Zuschauer zu gewährleisten.

FAKTEN: Den ersten Vorstoß wagte Bundesligist 1. FC Union Berlin. Später nannte DFB-Präsident Fritz Keller Massentests für Besucher vor einem Spiel als eine Maßnahme, um von September an wieder Spiele zumindest vor einer begrenzten Zahl von Zuschauern stattfinden zu lassen. In der ARD-„Sportschau“ räumte der 63-Jährige am Sonntag aber auch ein: „Ich glaube, wir können heute in der Pandemielage noch gar nichts sagen.“ Die Wissenschaft müsse vorgeben, was möglich ist.

SPD-Gesundheitsexperte und Epidemiologe Karl Lauterbach ist gegen massenweise Testungen von Zuschauern einen Tag vor einem Spiel. „Es ist aus medizinischer und auch aus ökonomischer Sicht absurd, da ein völlig überflüssiges Risiko einzugehen“, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Er regte an, dass nicht die etwa 500 000 Fans, sondern mehr Pflegekräfte und Erzieher im Herbst getestet werden sollten.

Zudem warnte er, dass Tests, wie sie im Gespräch sind, nicht aussagekräftig seien. „Es kann vorkommen, dass bei einem Infizierten das Virus zum Zeitpunkt des Tests noch nicht nachweisbar ist, er aber später beim Spiel bereits ansteckend ist.“ Auch könnten bis zu 30 Prozent der Tests falsche negative Ergebnisse liefern.

Der Nürnberger Pharmakologe Fritz Sörgel sieht das ähnlich. So sagte er der „Badischen Zeitung“ zur Initiative von Union Berlin, mit Beginn der Bundesliga das Stadion An der alten Försterei mit seinen 22 000 Plätzen komplett zu öffnen: „Einmal abgesehen davon, ob 22 000 Tests binnen 24 Stunden überhaupt durchführbar sind, gibt Ihnen das keine absolute Sicherheit.“

Je mehr Anhänger reingelassen würden, desto mehr steige die Wahrscheinlichkeit, „dass Zuschauer genau in diesen 24 Stunden bis zum Spiel positiv werden, also eine Menge an Virus im Körper haben, die den Test überhaupt erst positiv macht - und dann kann ich ansteckend sein“. Hinzu komme die Fehlerquote bei der Gewinnung eines Abstrichs, gerade wenn alles ganz schnell gehen muss.

Virologe Jonas Schmidt-Chanasit wies in der „Bild am Sonntag“ darauf hin, dass ein Corona-Test nur eine Momentaufnahme sei. Es sei nicht ausgeschlossen, „dass trotzdem Zuschauer nach 24 Stunden positiv werden und somit andere Zuschauer im Stadion anstecken können“.“

Die Rückkehr der Zuschauer ist für die Clubs nicht nur ein emotionaler, sondern auch ein wirtschaftlicher Faktor. Laut dem DFL-Wirtschaftsreport 2020 für die Saison 2018/19 betrugen die Einnahmen der 18 Bundesligisten aus dem Spieltagbetrieb 520,1 Millionen Euro. Das ergab einen Anteil von 12,9 Prozent am Gesamtumsatz von 4,02 Milliarden Euro.

Verständlich, dass die Vereine nach den Corona-Geisterspielen ihre Fans wiederhaben wollen. RB Leipzig hofft, dass 20.000 Zuschauer bei Heimspielen zugelassen werden können, Eintracht Frankfurt nannte ebenfalls die Zahl von 20.000 Besuchern, Vizemeister Borussia Dortmund würde sich 15.000 Anhänger wünschen.

Im NDR erinnerte Wissenschaftler Schmidt-Chanasit vom Hamburger Bernhard-Nocht-Institut, dass vor dem Lockdown Spiele mögliche Corona-Treiber waren. „Ich kann nur noch einmal warnen: Die großen Ausbrüche in Italien oder auch in Spanien sind auch durch Fußballspiele und insbesondere durch die Fans verstärkt worden“, meinte er.

© dpa-infocom, dpa:200728-99-949349/7

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