Aurich/Norden

Autor sieht in rüder Sprache Grund für Gewalt

Matthias Hippen
|
Von Matthias Hippen
| 20.06.2019 16:14 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Artikel hören:
Artikel teilen:

Der Norder Bestseller-Autor Klaus-Peter Wolf wehrt sich gegen Hetze im Internet, die zu Gewalt führen kann. Er nennt als Beispiel unter anderem den tödlichen Schuss auf Regierungspräsident Walter Lübcke.

Aurich/Norden. Bestseller-Autor Klaus-Peter Wolf aus Norden beklagt eine Verrohung der Sprache und des Umgangs miteinander. Dagegen will er sich wehren, wie er am Donnerstag in einer persönlichen Erklärung erneut bekräftigte. Ein Leserbriefschreiber habe ihn beleidigt und zu Gewalt gegen ihn aufgefordert, wie der Krimiautor bereits vergangene Woche in einem ON-Interview sagte. Nun legte Wolf nach. Er zählt in seiner Erklärung eine Reihe von Gewalttaten auf, denen Hetze im Internet vorangegangen war – unter anderem den tödlichen Schuss auf Walter Lübcke, Regierungspräsident des Regierungsbezirks Kassel.

„Ich streite hier für einen anständigen Umgang miteinander“, schreibt Wolf. Durch das Internet sei der Ton „insgesamt rauer, ja, verletzender, geworden“. Hassattacken ließen sich anonym gefahrlos verbreiten. Wolf nennt ein Beispiel: „Da wurde meiner Frau kurz nach unserer Hochzeit ein Frauenhaus empfohlen und ich als gefährlicher Psychopath hingestellt, der dringend in psychiatrische Behandlung gehöre. Um meine Kinder solle sich endlich das Jugendamt kümmern.“

Wolf zitiert Vizepräsident des Auschwitz-Komitees

Wolf verweist auf Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und auf dessen Aussage zum Fall Lübcke: „Wo die Sprache verroht, ist die Straftat nicht weit.“ Der Norder zitiert Christoph Heubner, Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees: „Auschwitz hat nicht in Auschwitz begonnen, sondern überall dort, wo Menschen ausgegrenzt und gejagt werden.“ Die Messerattacke auf die Kölner Oberbürgermeisterin habe ein Vorspiel durch öffentliche Verunglimpfung gehabt. „Da wurde jemand zum Abschuss freigegeben. Es war dann nur noch eine Frage der Zeit, bis ein Verstörter diese Gewaltfantasien als Auftrag betrachtete und sich auserwählt fühlte, den Volkswillen zu vollstrecken“, so Wolf. „Andreas Hollstein, Bürgermeister der Kleinstadt Altena, wurde 2017, nach vorausgegangenen öffentlichen verbalen Angriffen, Opfer einer Messerattacke“, zählt Wolf weiter auf. „Ihm wurde in den Hals gestochen. Er überlebte nur knapp.“ Nun sei Lübcke aus nächster Nähe erschossen worden. „Die Meute im Internet jubelt dazu und wünscht sich ,noch mehr davon‘“, schreibt Wolf. Auch bei Lübcke habe es mit einer großen öffentlichen Verunglimpfung begonnen.

Wolff sagt: „Es beginnt immer damit, dass Schmähschriften verfasst, Menschen herabgewürdigt, ja, zu Unpersonen gemacht werden.“ Das werde durch unangebrachte Toleranz gegenüber eines solchen unanständigen Verhaltens ermöglicht. Das alles habe mit Meinungs- oder Pressefreiheit nichts zu tun. „Hier sollen Menschen mundtot gemacht werden, ja, sie sollen Angst um ihr Leben haben und dann verschwinden“, so Wolf.

Der Erfolgsautor führt penibel Buch

Das wirft Wolf auch dem Autor des Leserbriefs vor, der in der Ostfriesen-Zeitung veröffentlicht wurde. Darin sei „nicht nur der Appellcharakter herauszulesen, sondern auch schon die klammheimliche Vorfreude auf meine Vertreibung, ja Tötung“. Der Wolf-Kritiker habe einen Leserbrief verfasst, „in dem von ,integrationsunfähigen NRWlern‘ geredet wurde“ die Wolf nach Ostfriesland hole. Der Brief endete laut Wolf mit dem Satz: „Früher hätte man solche Nestbeschmutzer bei Nebel ins Watt gejagt.“ Dazu schreibt der Krimi-Autor: „An der Küste weiß jeder, was damit gemeint ist. Bei Nebel kommt man nicht lebend aus dem Watt.“

Wolf räumt ein, dass Meinungsfreiheit auch wehtun kann: „Wer sich, wie ich, der Öffentlichkeit zeigt, muss damit rechnen, attackiert und auch verletzt zu werden. Ich habe mir im Laufe der Jahrzehnte ein dickes Fell wachsen lassen.“ Er habe immer Schriftsteller werden wollen, ein Berufswunsch habe früh festgestanden. Wolf: „Ich wurde viel ausgelacht. Von Kindern und von Erwachsenen. Wenn jemand seinem Traum folgt, muss er Spott ertragen können. Manchmal tat das weh.“ Öffentlicher Kritik sei er von Anfang an ausgesetzt gewesen. Wolf hat genau Buch geführt: „Es gibt mehr als 10 000 Zeitungsberichte über mich und mein Werk, die ich gesammelt habe.“ Natürlich seien nicht alle positiv. „Jeder darf alles, was ich tue, blöd finden und das auch öffentlich sagen“, so Wolf. Wenn ein neuer Roman von ihm erscheine, bekomme er in den ersten Wochen täglich 250 bis 350 Leserbriefe. Dazu kämen Facebook-Nachrichten und anderes. „Manchmal schwimme ich im Lob, fühle mich geradezu getragen von den Fans, dann wieder hagelt es heftige Kritik“, schreibt Wolf.

Schriftstellervereinigung Pen bekundet Solidarität

Und auch bei kritischen Reaktionen zählt Wolf genau: „Da setzt eine Person – deren richtigen Namen ich nicht kenne – 104 üble Kommentare im Internet gegen mich ab. Alle immer so gerade haarscharf an der Grenze, dass man sich fragt, ist das schon justiziabel oder nicht?“

Jetzt habe sich Wolf zum ersten mal in seinem Leben entschieden, „gerichtlich gegen eine Schmähschrift vorzugehen“. Denn der Leserbriefschreiber sei nicht bereit, eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben. Bestätigung sieht Wolf in einer Solidaritätsbekundung des Präsidiums der Schriftstellervereinigung Pen-Zentrums Deutschland. Wolf zitiert Heinrich Peuckmann, Generalsekretär des Zentrums: „Die Entscheidung in Aurich hat eine große Bedeutung für viele Menschen im Land und hat deshalb eine große öffentliche Aufmerksamkeit.“

Ähnliche Artikel