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Klönen gehört dazu

| | 17.12.2021 19:48 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Uschi Freyland (von links), Hille Müller und Ulrike Ulpts führen das Trauercafé im Auricher Hospiz. Foto: Franziska Otto
Uschi Freyland (von links), Hille Müller und Ulrike Ulpts führen das Trauercafé im Auricher Hospiz. Foto: Franziska Otto
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Im Trauercafé des Auricher Hospizvereins wird geklönt und auch mal geweint. Aber der Spaß und der Kontakt mit anderen Menschen stehen im Vordergrund.

Aurich - Einfach mal die Seele baumeln lassen – das fällt vielen Menschen schwer, die einen geliebten Menschen verloren haben. Im Trauercafé des Auricher Hospizvereins soll es ihnen leicht gemacht werden.

Die Türen des Trauercafés stehen für jeden offen. Das Angebot ist unverbindlich und rundum kostenlos. Jedoch sollte der Verlust des geliebten Menschen nicht allzu frisch sein. „Im Trauercafé darf natürlich auch geweint werden“, sagt Uschi Freyland. Sie ist eine von vielen Ehrenamtlichen, die das Trauercafé betreuen. Das sei selbstverständlich. Jedoch sei es für die Gruppe sinnvoller, wenn die einzelnen Teilnehmer so weit gefestigt sind, dass sie nicht immer wieder zusammenbrechen. Dafür bietet das Hospiz zum Beispiel extra Trauerbegleitungen in Gruppen und Einzelgesprächen an.

Spenden für den Hospizverein Aurich

In diesem Jahr sammeln die Ostfriesischen Nachrichten und „Ein Herz für Ostfriesland“ zu Weihnachten gemeinsam für den Hospizverein Aurich. Die Spenden möchte der Verein für die Ausbildung der ehrenamtlichen Trauerbegleiter verwenden. Die Trauerbegleitenden stehen den Hinterbliebenen zur Seite und helfen den Angehörigen, ihren Weg zurück ins Leben zu finden.

Spender können eine Summe ihrer Wahl auf das Spendenkonto „Ein Herz für Ostfriesland GmbH“, IBAN DE24 2856 2297 0414 5372 01, bei der Raiffeisen-Volksbank eG Aurich unter dem Stichwort Hospizverein Aurich überweisen. Weitere Informationen finden Interessierte hier.

Anlaufpunkt zum gemeinsamen Trauern

Das Trauercafé ist der richtige Anlaufpunkt für jene, die niemanden zum gemeinsamen Trauern haben. So etwas geschieht aus den unterschiedlichsten Gründen. Zum Beispiel leben die Angehörigen in einer anderen Region Deutschlands. Auch können Angehörige und Freunde die Trauernden zu oft nicht so unterstützen, wie sie es bräuchten. Entweder weil sie selbst trauern oder weil sie den Trauernden nicht verstehen, sagt Hille Müller. Sie ist bereits seit über 20 Jahren beim Auricher Hospiz dabei.

Das Ziel des Trauercafé ist es, dass die Trauernden aus ihren eigenen vier Wänden kommen. Das fällt vielen Trauernden schwer, sagt Uschi Freyland. Manche fühlen sich schuldig, wenn sie nach dem Tod eines geliebten Menschen Spaß haben.

Frisch gebrühter Kaffee wird in einer French Press zubereitet. Foto: DPA
Frisch gebrühter Kaffee wird in einer French Press zubereitet. Foto: DPA

„Das kriegst du hin!“

Vor Corona war das Trauercafé gut besucht – teilweise waren 20 Menschen gleichzeitig da. Seit der Pandemie geht das nicht mehr. Aktuell treffen sich nur maximal acht Menschen. Hinzu kommen zwei Gruppenleiter. Einer ist immer bei der Gruppe. Der andere übernimmt, sollte ein Gast das Bedürfnis nach einem Einzelgespräch haben.

Im Trauercafé können die Fragen gestellt werden, die sich andere vielleicht scheuen zu beantworten. Zum Beispiel: Wie entsorge ich die Kleidung meines Partners? Sie wissen, dass andere dasselbe durchmachen wie sie. Und das kann ihnen Mut geben. Die Gäste können ihre Erfahrungen austauschen und einander Tipps geben. Zum Beispiel gebe es viele Frauen, die sich nach dem Tod ihres Mannes mit Themen wie Stromrechnungen und Reparaturen beschäftigten, sagt Hille Müller. „Sie sagen dann: ‚Das kriegst du hin!‘“

Hospiz als geschützter Raum

Im Hospiz ist für die Trauernden ein geschützter Raum. Sie müssen sich nicht mit „Killerphrasen“ wie Hille Müller sie nennt auseinandersetzen. „Das wird schon“ oder „schau nach vorn“ seien für trauernde Menschen keine Hilfe. In dem Moment, in dem ein geliebter Mensch verstirbt, bleibt für sie die Zeit stehen. Aber das Leben draußen vor ihren Türen geht weiter. Es besteht die Gefahr, dass sie sich zurückziehen.

Eine Kerze in Herzform brennt. Foto: DPA
Eine Kerze in Herzform brennt. Foto: DPA

Unterstützt wird das noch dadurch, dass Trauernde oft wieder und wieder das Gleiche erzählen. Wie der Partner gestorben ist und was sie dabei erlebt haben. Für Angehörige, die selbst trauern, kann so was schwer zu ertragen sein. Dabei ist die Wiederholung für den Betroffenen ein wichtiger Prozess, sagt Hille Müller. „Menschen in der Verlustkrise haben immer wieder die gleichen Gedanken.“ Alles dreht sich um die Trauer und deren Verarbeitung.

Mut lohnt sich

Im Trauercafé sind Wiederholungen erlaubt, sogar erwünscht, wenn sie bei der Bewältigung des Verlusts helfen. Durch die offene Gruppe stoßen ja auch immer wieder neue Menschen hinzu, die die Geschichten noch nicht kennen, sagt Ulrike Ulpts. Sie ist seit über sechs Jahren beim Café als Trauerbegleiterin dabei.

Viele neue Menschen zu treffen kann für die Trauernden im ersten Moment überwältigend sein. Aber der Mut lohnt sich. Jedes Treffen beginnt mit einer Kennenlernrunde. Ein Licht für die Verstorbenen wird entzündet und jeder berichtet, wie es ihm geht und um wen sie trauern. Für manche kann das zu viel sein. „Manche können dann nicht reden. Und das ist total in Ordnung“, sagt Uschi Freyland.

Tee wird in eine Tasse geschenkt. Foto: DPA
Tee wird in eine Tasse geschenkt. Foto: DPA

Vorfreude auf das nächste Treffen

Die Gruppenleiterinnen beginnen dann mit einem Thema, um das Gespräch unter den Gästen in Schwung zu bringen. Oft geht es dabei um Probleme der Trauernden. Wie geht es ihnen zum Beispiel im Alltag. Wichtig ist den Begleiterinnen, dass jeder mal zu Wort kommt.

Dass die Treffen den Gästen des Trauercafés helfen, sehen die Gruppenleiterinnen an ihren Reaktionen. Oft bilden sich richtige Freundschaften zwischen den Gästen, der nächste Termin kann dann kaum noch erwartet werden. Sie verabreden sich dann auch außerhalb des Cafés, zum Frühstück oder für einen Kinobesuch. Die Begegnungen im Trauercafé werden dann seltener. Sie nehmen wieder am Leben teil – und das ist das Ziel, sind sich die Trauerbegleiterinnen einig.

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