ON-Weihnachtsaktion

Von Schmerz zu Lichtblick

| | 14.12.2021 19:33 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
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Marianne Löwe (links) und Elizabeth Jacobs leiten die Gruppe Trauernde Eltern. Foto: Franziska Otto
Marianne Löwe (links) und Elizabeth Jacobs leiten die Gruppe Trauernde Eltern. Foto: Franziska Otto
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Erinnerungen an ein verstorbenes Kind sind für die Eltern oft kaum zu ertragen. Die Auricher Trauerbegleiterinnen helfen ihnen, wieder Licht in ihrem Leben zu sehen.

Aurich - Für viele Menschen gehört die Weihnachtszeit zur schönsten Zeit des Jahres. Süße Düfte liegen in der Luft, bunte Lichter erhellen die Wohnungen, Kinder können die Vorfreude auf das Weihnachtsfest kaum ertragen. Unerträglich werden die besinnlichen Tage hingegen für Eltern, die ein Kind verloren haben. Zum Fest kommen normalerweise alle zusammen – doch einer fehlt. „Die Betroffenen brauchen dann besondere Unterstützung“, sagt Elizabeth Jacobs. Gemeinsam mit Marianne Löwe leitet sie beim Hospizverein Aurich eine Gruppe für trauernde Eltern.

Spenden für den Hospizverein Aurich

In diesem Jahr sammeln die Ostfriesischen Nachrichten und „Ein Herz für Ostfriesland“ zu Weihnachten gemeinsam für den Hospizverein Aurich. Die Spenden möchte der Verein für die Ausbildung der ehrenamtlichen Trauerbegleiter verwenden. Die Trauerbegleitenden stehen den Hinterbliebenen zur Seite und helfen den Angehörigen, ihren Weg zurück ins Leben zu finden.

Spender können eine Summe ihrer Wahl auf das Spendenkonto „Ein Herz für Ostfriesland GmbH“, IBAN DE24 2856 2297 0414 5372 01, bei der Raiffeisen-Volksbank eG Aurich unter dem Stichwort Hospizverein Aurich überweisen. Weitere Informationen finden Interessierte hier.

In der dunklen und kalten Jahreszeit bleiben die Menschen eher zu Hause. Man kann weniger unternehmen – für Trauernde bedeutet das weniger Ablenkung. Der Austausch mit anderen, die das Gleiche wie sie erleben, kann ihnen bei der Trauerarbeit helfen.

Nach 30 Jahren endlich darüber sprechen

Der Tod sei in der Gesellschaft sowieso ein schwieriges Thema, sagt Elizabeth Jacobs. Viele Menschen wollten darüber nicht reden. Noch schlimmer sei es, wenn ein Kind verstirbt. Die Menschen wollten weder etwas davon hören noch darüber reden. „Manche sagen in der Gruppe ‚nach 30 Jahren darf ich endlich über meine Trauer sprechen‘“, sagt die Trauerbegleiterin.

Die Gruppe Trauernde Eltern des Hospizvereins steht prinzipiell für alle Eltern offen, die um ein Kind trauern. Bei jenen, bei denen der Verlust ein Trauma verursacht hat, raten die Begleiterinnen, zusätzliche ärztliche Hilfe oder einen Psychologen in Anspruch zu nehmen. Gegen eine Teilnahme an der Gruppe spricht das allerdings nicht. Sie könne auch als Begleitung zu einer Therapie genutzt werden, sagt Elizabeth Jacobs.

Ein Kreuz mit Inschrift liegt auf Plüschtieren. Foto: DPA
Ein Kreuz mit Inschrift liegt auf Plüschtieren. Foto: DPA

Jede Trauer wiegt gleich schwer

In der Trauergruppe sind alle gleich – jede Trauer wiegt gleich schwer. Manchmal habe es Diskussionen gegeben, wer die größere Trauer verspürt: Eltern, die eine Totgeburt erlitten oder die ihr erwachsenes Kind verloren, sagt Marianne Löwe. Aber es gibt keine Gewichtung. „Es spielt keine Rolle, man trauert immer und genauso intensiv“, sagt die Trauerbegleiterin.

Teilweise besuchen zum ersten Mal Eltern die Trauergruppe, die ihr Kind bereits vor 30 Jahren verloren haben. Weil sie bisher mit niemanden wirklich über den Verlust sprechen konnten, er aber seitdem die Gedanken beherrscht.

Verständnis gibt es für Trauernde nicht oft genug

Zu oft stoßen sie auf wenig Verständnis von anderen. „Manche sagen ‚sei doch froh! So musst du nur drei Paar Schuhe kaufen‘“, sagt Elizabeth Jacobs, oder: „Hast ja noch mehr Kinder.“ Außerdem sei es in der Gesellschaft üblich, dass man Trauernden nur ein Jahr Zeit gebe, über einen Verlust hinwegzukommen. Das reicht lange nicht, wissen die Trauerbegleiterinnen. Im Gegenteil. „Die Trauer ist immer da. „Man kann aber einen Weg finden, damit umzugehen“, sagt Marianne Löwe.

Bei den Trauernden Eltern haben die Betroffenen einen geschützten Bereich. Hier werden sie nicht verurteilt oder müssen jemandem gerecht werden. Sie können einander Kraft geben und Mut machen.

Elizabeth Jacobs (von links), Silke Voss, Janina Speiser und Erika Winter leiten die Jugendtrauergruppe. Foto: Franziska Otto
Elizabeth Jacobs (von links), Silke Voss, Janina Speiser und Erika Winter leiten die Jugendtrauergruppe. Foto: Franziska Otto

Jugendliche bleiben zu oft auf der Strecke

Nicht nur Eltern brauchen manchmal beim Verlust eines Kindes Hilfe. Auch Geschwister können ihre Trauer nicht immer allein verarbeiten. Sie werden dann bei der Jugendgruppe aufgefangen, die Elizabeth Jacobs zusammen mit Silke Voss, Janina Speiser und Erika Winter leitet.

Bei einem Todesfall in der Familie bleiben zu oft die Jugendlichen auf der Strecke, sagt Elizabeth Jacobs. Die Gruppe wurde erst nach der Kindertrauergruppe des Hospizvereins gegründet. „Jugendliche sollen auch eine Anlaufstelle haben“, sagt Janina Speiser.

Jugendliche übernehmen Rolle des Verstorbenen

Viele Jugendliche schlüpfen von heute auf morgen in eine neue Rolle, sagt Erika Winter. Sie übernehmen zum Beispiel die Aufgaben des verstorbenen Elternteils. „Sie werden ein Stück weit um ihre Jugend gebracht“, fügt die Hospizbegleiterin hinzu.

Die Gruppenleiterinnen wollen den Jugendlichen dabei helfen, Selbstbewusstsein aufzubauen und ihre eigenen Stärken zu finden. Die Pubertät sei sowieso eine Zeit des Umbruchs und der Unsicherheit, sagt Elizabeth Jacobs. Wenn dann auch noch ein Elternteil stirbt, werde die Unsicherheit nur noch größer.

Eigene Stärken erkennen

In der Gruppe versuchen die Begleiterinnen rauszufinden, welche Ressourcen die Jugendlichen mitbringen. Sie sollen erkennen, was ihre Stärken sind. Denn darin können sie Halt finden, wissen die Trauerbegleiterinnen.

Gerade für die Jugendlichen ist der Austausch mit Gleichaltrigen, die dasselbe durchmachen wie sie, wichtig. Zu Beginn erhielten sie oft noch Rückhalt durch Freunde oder Angehörige, sagt Silke Voss. „Aber irgendwann ist es dort nicht mehr Thema“ – obwohl eventuell noch Gesprächsbedarf bei den Jugendlichen besteht.

Erinnerungen werden wieder positiv

Weder die Treffen der Trauernden Eltern noch die der Jugendgruppe sind immer traurig und düster. Natürlich gibt es solche Momente – aber genauso oft erleben die Teilnehmer auch schöne Zeiten. Zum Beispiel mit gemeinsamen Ritualen: Kerzen werden entzündet, es wird viel geredet und gelacht. „Sie sollen wieder etwas Positives sehen“, sagt Marianne Löwe.

Eine Jugendliche steht in einem abgedunkeltem Raum am Fenster. Foto: DPA
Eine Jugendliche steht in einem abgedunkeltem Raum am Fenster. Foto: DPA

Anfangs schmerzen die Erinnerungen an den Verstorbenen. Teilweise ist es für die Hinterbliebenen kaum zu ertragen. Aber es wird leichter, sagen die Trauerbegleiterinnen. „Es wird irgendwann erträglich“, sagt Marianne Löwe. Aus den Erinnerungen, die so viel Schmerzen bereiteten, werden kleine Lichtblicke. Man erinnert sich wieder gerne zurück. „Man sagt sich ‚oh, jetzt hätte sie aber gelacht‘“, sagt Marianne Löwe.

Der Tod wird in die Familie integriert. Manche decken für den Verstorbenen zum Essen ein, andere drucken ein Foto auf eine Weihnachtskugel. Das Schweigen über den Verstorbenen und den eigenen Schmerz bringt nichts. „Trauer ist keine Krankheit. Aber Reden ist ein Heilungsprozess“, sagt Elizabeth Jacobs.

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