ON-Weihnachtsaktion

Auszeit von der Trauer dank Familienbegleiterinnen

| | 03.12.2021 19:29 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
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Dieses Gemälde hängt in den Räumen des Auricher Hospizvereins. Fotos: Franziska Otto
Dieses Gemälde hängt in den Räumen des Auricher Hospizvereins. Fotos: Franziska Otto
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Der Tod eines geliebten Menschen wirft das Leben in einer Familie völlig aus der Bahn. Die Familienbegleiterinnen des Hospizvereins sind dann für die Hinterbliebenen da. Die ON sammeln Spenden für den Hospizverein.

Aurich - Der Tod eines geliebten Menschen ist für viele kaum zu ertragen. Doch versunken in ihrem Schmerz und ihrer Trauer muss der Alltag weitergehen: Der Haushalt muss gemacht werden, Erwachsene müssen zur Arbeit, Kinder zur Schule. Für Familien wird das schnell zum Kraftakt. Bei der Bewältigung für viele so selbstverständlichen Aufgaben brauchen sie Hilfe. Dann sind die Familienbegleiter des Auricher Hospizvereins für sie da.

Wenn Barbara Lindner-Bartlitz und Siegrid Tjards zum Einsatz kommen, scheint die Hoffnung bei den Betroffenen schon fast verloren. Sie helfen Familien, deren Leben durch eine Diagnose aus den Fugen zu geraten droht. Sie stehen mit ihnen den Krankheitsverlauf durch, bis zum Schluss und teilweise darüber hinaus. Hilfe suchen die Familien fast nie von selbst. Es sind Ärzte oder Pflegeeinrichtungen, die den Hospizverein auf ihre Situation aufmerksam machen. Der Verein setzt sich dann mit ihnen in Kontakt.

Die Chemie muss stimmen

Ist die Familie mit einer Begleitung einverstanden, wird die richtige Person ausgesucht. „Die Chemie muss stimmen“, sagt Siegrid Tjards. Die erste Frage an die Familien ist: Was braucht ihr? Oft sind es dann die kleinen Dinge, ein Gespräch bei einer Tasse Tee, ein gemeinsamer Spaziergang oder Hausaufgabenbetreuung des Kindes.

Siegrid Tjards
Siegrid Tjards

Zuerst werden die Aufgaben klar abgesteckt. Denn: Die Familienbegleiter sind weder Haushaltshilfen noch Pflegekräfte. Sie sind quasi professionelle Freunde der Familie, die sie in einer schweren Zeit unterstützen. Wie lange die Begleiter in einer Familie bleiben, ist ganz unterschiedlich. Manchmal sind es nur wenige Wochen. Und manchmal sind es viele Jahre. Mit einer Familie, die sie über sieben Jahre lang betreute, steht sie immer noch in freundschaftlichem Kontakt, sagt Siegrid Tjards. In der Familie begleitete die Auricherin eine Erstklässlerin, deren Geschwisterkind schwer erkrankte. Sie war für das Mädchen da und schenkte ihm Aufmerksamkeit. Gemeinsam unternahmen sie viel, gingen zum Beispiel Pizza essen. Bis dorthin ist es aber nicht immer einfach, wissen die Familienbegleiterinnen. Gerade wenn Kinderbetreuung benötigt wird, müssen sie sich zunächst das Vertrauen der Eltern und der Kinder verdienen. „Sie müssen sich auf uns verlassen können“, sagt Barbara Lindner-Bartlitz.

Barbara Lindner-Bartlitz
Barbara Lindner-Bartlitz

Das Mädchen, das Siegrid Tjards betreute, ist ein Schattenkind, wie die Begleiterinnen es nennen. Auch wenn der Begriff im Hospiz von niemandem gern gehört wird. Er unterschlägt die Vielzahl an Problemen, die Kinder mit einem schwerkranken Angehörigen haben. Bekommt eine Familie die endgültige Diagnose über den baldigen Tod eines Angehörigen, dreht sich bald alles um den Kranken. Der Tod wird plötzlich zum Thema in der Familie. Gerade Kinder fallen dann oft nicht mehr auf, ihre Bedürfnisse werden weniger wahrgenommen. Das ist nur verständlich, sagen die Familienbegleiterinnen. Ihre Aufgabe ist es nun, dem Kind eine Auszeit von all dem Schmerz und der Trauer zu schenken. „Wir stellen wieder das Sonnenlicht in den Vordergrund“, sagt Barbara Lindner-Bartlitz.

Die Pause von der Trauer

Eine Pause von der Trauer, jemanden zum Reden, einfach Zeit – das brauchen Schwerkranke und ihre Angehörigen. Nicht immer können diese Aufgaben von Freunden übernommen werden. Viele sind mit der Situation überfordert, sagt Barbara Lindner-Bartlitz. Viele Menschen wollten sich nicht mit dem Tod und seinen Folgen für die Hinterbliebenen auseinandersetzen. Bei ihrer Ausbildung lernten die Familienbegleiter genau das. Für sie ist der Tod kein Schreckgespenst. Er ist etwas Unausweichliches.

Manche Angehörige leugnen die Krankheit des geliebten Menschen bis zuletzt, sagt Barbara Lindner-Bartlitz. Deswegen sei es wichtig, dass die Begleiterinnen auch für den Sterbenden da sind. Gemeinsam machen sie den Abschied für die Angehörigen leichter. Sie schreiben Briefe für die Hinterbliebenen, ermöglichen es, dass ein schwerkranker Vater seinen Kindern individuelle Schmuckstücke schenkt, die sie immer an ihn erinnern sollen.

Irgendwann kehrt Ruhe ein

Die Sterbenden spürten früher, wann das Ende ihres Lebens naht. Angehörige wollten davon aber zu oft nichts hören. Es kann passieren, dass der Sterbende sich dann nicht ernstgenommen fühlt. Aber das ist nicht immer der Fall – manche Angehörige können die Diagnose annehmen. „Sie sehen jeden Tag als Geschenk“, sagt Barbara Lindner-Bartlitz.

In ihrer Betreuung sind die Begleiterinnen für die ganze Familie da. Oft kommen Fragen auf. Wie soll es weitergehen? Die Verunsicherung und Verzweiflung sind groß. In diesen Momenten hilft keine leere Phrase, sagt Siegrid Tjards. Die hörten die Betroffenen zu oft. Die Familienbegleiterin ist ehrlich zu ihnen. „Ich sage ihnen dann, dass ich nicht weiß, wie es weitergeht.“ Ein Schritt nach dem anderen. „Ich frage dann: Wie stellst du dir vor, dass es weitergeht?“

Spenden für den Hospizverein Aurich

In diesem Jahr sammeln die Ostfriesischen Nachrichten und „Ein Herz für Ostfriesland“ zu Weihnachten gemeinsam für den Hospizverein Aurich. Die Spenden möchte der Verein für die Ausbildung der ehrenamtlichen Trauerbegleiter verwenden. Die Trauerbegleitenden stehen den Hinterbliebenen zur Seite und helfen den Angehörigen, ihren Weg zurück ins Leben zu finden.

Spender können eine Summe ihrer Wahl auf das Spendenkonto „Ein Herz für Ostfriesland GmbH“, IBAN DE24 2856 2297 0414 5372 01, bei der Raiffeisen-Volksbank eG Aurich unter dem Stichwort Hospizverein Aurich überweisen. Weitere Informationen finden Interessierte hier.

Siegrid Tjards ist bereits seit 2010 ehrenamtliche Familienbegleiterin. Barbara Lindner-Bartlitz arbeitet seit über 20 Jahren für das Hospiz und schloss erst vor Kurzem ihre Ausbildung zur Familienbegleiterin ab. Sie weiß, was die Trauernden am meisten brauchen: Zuwendung. Die Arbeit der Familienbegleiterinnen ist erst getan, wenn sich die Familie wieder halbwegs gefangen hat. Wie früher wird es nie werden, wissen die beiden Auricherinnen. Das kann es nicht, und das soll es auch nicht. Es ist eine neue Situation, in der die Familie lernen muss zu leben. Aber irgendwann kehrt wieder Ruhe ein. Und dann helfen die Begleiterinnen der nächsten Familie in einer schweren Zeit.

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