Tokio (dpa)

„Echt? Wahnsinn!“: Kristin Pudenz holt Diskus-Silber

Martin Moravec, Ulrike John und Andreas Schirmer, dpa
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Von Martin Moravec, Ulrike John und Andreas Schirmer, dpa
| 02.08.2021 15:21 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
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Diskuswerferin Kristin Pudenz beschert den deutschen Leichtathleten in Tokio die erste Medaille. Überraschend holt sich die Potsdamerin Silber. Es ist die erste Medaille für die deutschen Diskuswerferinnen seit 25 Jahren.

Nach ihrem Silber-Coup klatschte Diskuswerferin Kristin Pudenz begeistert in die Hände und vergoss Tränen der Rührung. Die 28-Jährige hat völlig überraschend Silber bei den Olympischen Spielen gewonnen und den deutschen Leichtathleten die erste Medaille in Tokio beschert.

Pudenz landete mit der persönlichen Bestleistung von 66,86 Metern im fünften Versuch auf dem zweiten Platz. Sie posierte danach mit einer Deutschlandflagge und präsentierte den Kameras ihr auffälliges Tattoo am Wurfarm.

„Ich kanns immer noch nicht richtig fassen. Mal guck'n, wie lange das dauert, bis ich dann denke: Ja, du hast gerade die Silbermedaille“, sagte Pudenz, die sich vorsichtig nur einen Platz unter den ersten Acht vorgenommen hatte. „Es ist einfach unglaublich.“

Sieg mit Motto: „Alles oder nichts“

Pudenz, die in diesem Jahr immer wieder Probleme mit der Achillessehne hatte, bescherte den deutschen Diskuswerferinnen die erste Medaille seit dem Gold-Wurf von Ilke Wyludda 1996 in Atlanta. „Echt? Wahnsinn!“, meinte Pudenz überrascht über die historische Dimension ihres Erfolgs.

Wyludda war von dem Pudenz-Coup gar nicht so verblüfft. „So überraschend war das für mich nicht“, sagte die 52-Jährige aus Halle/Saale, die den Vater von Pudenz aus aktiven Zeiten gut kennt. „Kristin hat in diesem Jahr eine hervorragende Entwicklung hingelegt. Ich hoffe, dass sich die Situation bei den Frauen jetzt stabilisiert und dass es etwas vorwärts geht.“

Olympiasiegerin im von einer rund einstündigen Regenunterbrechung beeinträchtigten Wettbewerb wurde die US-Amerikanerin Valarie Allman (68,98), auf Rang drei kam Yaime Perez aus Kuba (65,72). „Ich habe versucht ruhig zu bleiben und die Pause zum Runterkommen zu nutzen“, meinte Pudenz über die Unterbrechung, in der sie sich einen Snack gönnte. Danach war das Motto: „Alles oder nichts.“

Die Leverkusenerin Marike Steinacker wurde mit 62,02 Metern Achte. Claudine Vita aus Neubrandenburg verpasste den Endkampf der besten acht Diskuswerferinnen als Neunte (61,80 Meter). Die Kroatin Sandra Perkovic, Olympiasiegerin von 2012 und 2016, blieb als Vierte (65,01) dieses Mal ohne Edelmetall.

Eine Siegerin aus der zweiten Reihe

Die Diskuswerferinnen wurden auf eine harte Geduldsprobe gestellt. Denn im regennassen Käfig rutschte die Portugiesin Liliana Ca bei ihrem dritten Versuch aus, dann setzte noch heftigerer Regen ein. Der Wettbewerb wurde für rund eine Stunde unterbrochen. Anschließend legte Pudenz ihre silberne Diskus-Show hin.

„Ich bin mal gespannt, was da gleich auf dem Handy los ist“, sagte Pudenz, die im Stadion kein Mobiltelefon dabei hatte. „Ich weiß, dass sich das ziemlich viele angeguckt haben. Es macht mich einfach stolz, dass ich mich da so präsentieren konnte.“

Irgendwie folgte die Athletin in dieser denkwürdigen Nacht dem Motto, das sie sich auf die obere Hälfte ihres rechten Wurfarms hat tätowieren lassen: „How we survive is what makes us who we are“. Das heißt so viel wie: „Wie wir überleben, macht uns zu dem, was wir sind.“

Pudenz ist nun seit elf Jahren in Potsdam und wird von Jörg Schulte trainiert. Seit drei Jahren laufe es richtig gut für sie, sagte die Diskus-Athletin. „Ich habe viele Jahre aus der zweiten Reihe zugeschaut und das hat mich stark gemacht für diesen Moment. Und jetzt bin ich umso stolzer, dass sich das ganze ausgezahlt hat.“ Und wie! Pudenz freute sich derweil auf eine Pizza als kleine Belohnung.

© dpa-infocom, dpa:210802-99-670172/6

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