Berlin (dpa)

Leopoldina fürchtet wachsende Ungleichheit durch Corona

| 21.07.2021 10:16 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
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Geschlossene Geschäfte und Restaurants, Konjunktureinbruch und Distanzunterricht - die Corona-Krise hat massive Folgen.

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina befürchtet langfristig eine Verschärfung der Einkommens-Ungleichheit in Deutschland durch die Corona-Pandemie.

Kurzfristig seien die Einkommensverluste vieler Menschen durch die sozialen Sicherungssysteme begrenzt worden. Langfristig könne die Krise aber erhebliche Auswirkungen auf die Höhe und die Verteilung des Einkommens haben, warnen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in der veröffentlichten Stellungnahme „Ökonomische Konsequenzen der Coronavirus-Pandemie – Diagnosen und Handlungsoptionen“.

Den Experten zufolge stellt die Pandemie die Wirtschafts- und Sozialpolitik in Deutschland mittel- und langfristig vor neuartige Herausforderungen, hat zuvor bestehenden Handlungsbedarf verstärkt, bietet aber auch Chancen. „Die Pandemie kann zur Chance für eine gesellschaftlich breit getragene Modernisierungsinitiative werden, gerade im Bereich staatlichen Handelns“, argumentierte Leopoldina-Vizepräsidentin Regina T. Riphahn.

Wie sich die Ungleichheit in den Haushaltsnettoeinkommen in der Krise entwickelt hat, sei zwar noch unklar, schreiben die Experten. Hart getroffen wurden den Angaben zufolge aber unter anderem Mini-Jobber. Da sie nicht in der Arbeitslosenversicherung versichert sind, bekommen sie auch kein Kurzarbeitergeld. Eine Option könnte sein, die Minijob-Beschäftigten in die Kurzarbeitsregelung einzubeziehen. Die Kritik der Forscher an den 450-Euro-Jobs ist aber grundsätzlicher. „Minijobs erfüllen ihr angestrebte "Brückenfunktion" für den Übergang aus der Arbeitslosigkeit nicht.“ Es habe sich vielmehr gezeigt, dass sie zum Teil sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse verdrängten. Die Experten regen an, Minijobs ganz abzuschaffen oder zumindest deutlich einzuschränken.

Handlungsbedarf sehen die Forscher bei der schulischen Bildung. Die Bildungsverluste während der Krise drohten lange nachzuwirken und das Einkommenspotenzial der jungen Generation zu mindern, insbesondere von leistungsschwächeren Schülerinnen und Schülern und solchen aus bildungsfernen Familien. Die Chancengerechtigkeit sei dadurch noch geringer als vor der Pandemie. Die Arbeitsgruppe regt unter anderem an, bei möglichen künftigen Schulschließungen täglich verpflichtenden Online-Unterricht vorzusehen und Kinder und Jugendliche aus benachteiligten sozialen Verhältnissen umfangreich zu fördern.

Zur Überwindung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie empfehlen die Wissenschaftler unter anderem den Ausbau der Digitalisierung und steuerliche Anreize für Investitionen. „Digitalisierung und ein beschleunigter Strukturwandel sollten nicht als Bedrohung gefürchtet, sondern als Voraussetzung für eine höhere gesamtwirtschaftliche Produktivität angestrebt werden“, erläuterte Christoph M. Schmidt, Sprecher der Arbeitsgruppe und Präsident des RWI Essen und Mitglied der Leopoldina.

Nach Einschätzung der Forscher sollten auch mögliche Defizite beim staatlichen Krisenmanagement aufgearbeitet werden. Sie regen daher an, nach Abklingen der Krise eine unabhängigen regierungsferne Kommission einzusetzen, die Lösungsvorschläge erarbeitet.

© dpa-infocom, dpa:210721-99-460330/3

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